Angela Schanelec und der Keinohrhase 6/10


Oskar Roehler: „Was mir auffällt, ist, dass von vornherein Filme gnadenlos verrissen werden und nie erwähnt wird, was für Qualitäten etwa ein Til Schweiger hat. Auch jetzt bei dem Bushido-Film, da lese ich unglaubliche Sottisen gegen Bernd Eichinger, gegen die Constantin, gegen alles, was da aus kommerziellen Gründen für den Film verwendet wurde.“ Schanelec: „Das ist langweilig, was du redest. Was haben denn Filme wie „Keinohrhasen“ und Benjamin Heisenbergs „Schläfer“ miteinander zu tun?“ Jawoll, noch einmal kommen wir hier mit ungemütlichen Zitaten aus der im Berlinale Blog 5 erwähnten, mit Ecken und Kanten begonnen Gesprächsrunde. Deren Qualität lag unter anderem darin, jene letzte Fragen von Angela Schanelec eher unbeantwortet zu lassen. Und ich bin froh dieses Gespräch auf FAZ.de erst gelesen zu haben, nachdem ich Angela Schanelec (die ja rein optisch von ihrer Nachdrücklichkeit im Gespräch her durchaus als ältere Schwester von Nora Tschirners Charakter (siehe Foto) in „Keinohrhasen“ durchgehen könnte) zu ihrem kleinen Wunder von einem Forumsfilm „Orly“ befragte. Es wäre sicher ein ganz anderes Interview geworden. Alles hat eben seine Zeit, im Kino und nicht weniger im Journalismus, vom Leben ganz zu schweigen.

Aber nicht nur alles hat seine Zeit, sondern auch jeder seine eigene und daher beginnt der Kollege, der mit in unserer kleinen Runde saß: „Ich beginne das Interview jetzt mal aus der Sicht von Oskar Roehler mit der Frage: Warum machen Sie die Filme, die sie machen?“ Schanelec seufzt, sie sei dieser Frage müde, die werde ihr auch immer noch, wenn auch eher aus dem Publikum nach Vorführungen gestellt. Auch Schanelecs Berliner Kollege Thomas Arslan wurde des öfteren mit Unverständnis konfrontiert. Vor einigen Jahren, nach der Premiere seines extrem zurückhaltenden Films „Der schöne Tag“ wurde die anwesende Darstellerin Serpil Turhan aus dem Publikum gefragt: „Durften sie nicht besser spielen, oder konnten sie nicht?“. Turhan sagte knapp so etwas wie, das war schon alles so gemeint, wie es ist. Nun, in Arslans neuem Film, dem hypnotischen Großstadt-samt-Umland-Thriller „Im Schatten“, steht Turhan hinter der Kamera, als Regiesassistentin. Aber, so beruhigt Arslan im Gespräch, „Das hat nichts mit der Premiere von „Ein schöner Tag“ zu tun. Serpil spielte seitdem ja auch in anderen Filmen. Nur bei mir ist sie für diesen Film mal nicht vor der Kamera gewesen. Es gab keine Rolle für sie und die Regieassistenz passt gut zu ihrem momentanen Studium“. Wir freuen uns also auf das Regiedebüt der Schauspielerin Serpil Turhan.

Und es stellt sich abschließend nochmal die Frage: Was haben „Keinohrhasen“ und „Schläfer“ miteinander zu tun? Sie kommen aus Deutschland hieß die Antwort im FAZ-Text. Das kann aber nicht alles sein. Sie sind vor allem Filme, denen man anmerkt, dass sie aus keinem anderen Grund entstanden sind, als dass ihre Regisseure sie machen wollten. Das klingt banal, ist aber in einem Land, wo oft genug gedreht wird, weil das Geld nun mal gerade da war, weil Förderungen in einem gewissen Zeitraum zu Filmen werden müssen, weil man denkt, man könnte im Hinterhecheln irgendeines vermeintlichen Trends einen Coup landen, oder zumindest seine Eitelkeit befriedigen, weil man – und das schlägt sich oft mit besonderer Steifheit nieder – allzu oft meint,mit einem Film was beweisen zu müssen: die eigene Intelligenz, das Handwerk, das Wissen, den eigenen Anspruch. Viel zu oft erzählen Filme vom eigenen Verhältnis zum Film, aber selten vom eigenen Blick auf das Leben und noch seltener von der eigenen Fantasie. Til Schweiger hat „Keinohrhasen“ gemacht, weil er auf solche Komödien steht, weil er gerne seine eigenen Kinder auf der Leinwand sieht und weil es ihn motiviert, ein möglichst großes Publikum für sich zu gewinnen. Arslan hat „Schläfer“ gemacht, weil er sich dafür interessiert, wie ein junger Laborant darauf reagiert, dass er einen Kollege beschatten soll, der im Verdacht steht, ein Terrorist zu sein. Man könnte auch kurz sagen, beide haben Filme gemacht, die ganz nach ihrem eigenen Geschmack sind.

Am Schluss des FAZ-Gesprächs sagt Schanelec, es komme darauf an, einem Film anzusehen, wer ihn gemacht hat. Ob sie es beabsichtigt hat oder nicht, damit hat sie vor Schweiger den gleichen Hut gezogen, wie vor Heisenberg (und, völlig zu recht, auch vor sich selbst). Doch auch, wenn diese Lagerkämpfe zwischen „elitärer Kunst“ und „kunstvollem Massenappeal“, zwischen der Schanelec- und der Roehler-Fraktion letztlich Scheingefechte um verletzte Eitelkeiten sein mögen – sie zwanghaft zu schlichten, eitel Harmonie herzustellen, wäre ein Verlust. Man halte es besser mit dem alten Theaterregisseur (gespielt von Matthias Habich) in Andreas Kleinerts kunstvoll unterhaltsamen, fast schon auf alberne Weise lehrstückhaftem Panorama-Beitrag „Barriere“. Der beobachtet bei den Proben zu seinem „Hamlet“ auf der Freilichtbühne Zwickau seinen Haufen von Jungschauspielern, die sich auf offener Bühne plötzlich in ihrer ganzen Zickigkeit und Eifersucht gegenseitig um die Ohren hauen, was sie wirklich voneinander denken. Als Soap-Heini wird etwa einer beschimpft, der später die Rolle des Hamlet bekommen wird. Anstatt zu schlichten, zur Vernunft und Ordnung zu rufen, schaut der Regisseur zu und sagt: „Macht weiter so, endlich kommt Leben in die Bude.

Im Lauf des Jahres zu den Filmstarts von „Der Räuber„, „Orly“ und „Im Schatten“: die kompletten Interviews von Benjamin Heisenberg, Angela Schanelec und Thomas Arslan auf Planet Interview.

Dieser Beitrag entstand als Teil einer Kooperation vom Portal für Interviews Planet Interview und Berliner-Filmfestivals.de.

Autor: Ralf Krämer