14. Videonale: Eistorten und Kraftkammern


Die Videonale ist vorbei. Die mittlerweile 14. Ausgabe des Friedrichshagener Kurzfilmfestivals präsentierte am vergangenen Sonnabend (27. März) insgesamt 43 Kurzfilme – eine bunte und zugleich skurrile Mixtur aus professionellen Arbeiten und Filmen der Marke „YouTube“.

Man kann die Selektion sanftmütig als wilde Mischung bezeichnen. Denn obwohl die Auswahl der Filme (mit einer maximalen Länge von sieben Minuten) jegliche Nische von unnötig bis gelungen besetzte, gelang es den Organisatoren, die fast sechs Stunden währende Vorstellung spannend zu gestalten. Der Abend war in drei Blöcke aufgeteilt, jeder ca. anderthalb Stunden lang, kleinere Pausen ließen Platz zum Aufatmen, bis schließlich um 1.30 Uhr jeweils ein Publikums- und Jurypreis verliehen wurden.

Der erste Block überzeugte mit den Beiträgen „Ein ganz normaler Tag auf dem Müggelsee“ (Lino Liebermann) – Freunde verbringen einen amüsanten Tag auf dem zugefrorenen See -, „Eistorten“ (Volker Pilz), eine meditative Naturdokumentation über Eisformationen auf der Oder, und dem Musikvideo „Kaffee un Kippen“ von Jana Magdalena Keuchel und Daniel Wacker. Schwer zu verdauen war dagegen der stilistisch ansprechende, inhaltlich aber wenig überzeugende Kurzfilm „Birdland“ (Jimmy Grassiant und Knut Jäger). Der Beitrag von Studenten der Hamburg Media School eröffnete die Videonale, leider sah man dem Film aber deutlich seine projektbezogene Herkunft an.

Es sollten am Abend noch vier weitere Filme der Hamburger Hochschule folgen, allesamt schwarzweiß fotografiert und mit dem Manko versehen, den anvisierten Tiefgang ihres Stoffes binnen fünf Minuten entfalten zu wollen (müssen). Ein alleinerziehender Vater muss sich dem Autismus seines Sohne stellen („Stiller See„), ein verwahrloster Mann begegnet nach Jahren der Suche seiner Tochter („Gefunden„), ein Polizist ist hin- und hergerissen zwischen Vaterliebe und Dienstpflicht („Ein Schritt weiter„) – im Grunde hätte ein Beitrag der Hamburger Media School ausgereicht, um zu verdeutlichen, dass sich die Erstsemestler gerade in Stilistik und nicht in Originalität oder Dramaturgie üben. Sei´s drum, die üben noch.

Die kurzweiligen Filme von Phillip Scholz („Clint„) und Thomas Galle („Superfinn„) waren um so erfrischender, pointiert und mit Spielfreude seitens der Schauspieler umgesetzt. In „Superfinn“ schickt Galle seinen jungen Helden Finn auf eine Sinnsuche zwischen einem alten Teddybären und einem ferngesteuertem Modellauto. Phillip Scholz inszenierte ein charmantes Kabinettstückchen rund ums Rauchen. Doch es waren gerade die skurrilen Beiträge, die der Bilderflut des Abends ihre Facetten geben sollten, eine Erkenntnis, die sich auch so lesen lässt: Es gibt nichts Schönes ohne das Hässliche.

Es folgten die fünf Minuten andauernde, zutiefst verstörende Aufnahme aus dem Inneren einer Kathodenstrahlröhre „Energie„( mehr davon auf www.fleischfilm.com), verstörende Bildlandschaften versetzt mit experimenteller Musik („Kraftkammer„), esoterischer Kitsch („Dreamsigns„), der vom Regisseur phrasenhaft mit den Worten „Musik, welche vielleicht zum Träumen einlädt?“ umschrieben wurde und damit als umfassende Antithese zur Ästhetik herhalten kann, oder: „Die Reise zum Horizont„, eine, laut Inhaltsbeschreibung, „Reise zu den Grenzen des Universums“, die vielversprechend mit dem Douglas Adams Zitat „Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. – Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.“ eingeleitet wird, in den folgenden 3.30 Minuten aber beweist, dass der Regisseur die Ironie dieser Worte leider nicht verstanden hat.

Der wohl prägendste Beitrag des Abends, zumindest für den Autor dieses Textes, „Abseits der Straße“ entdeckt sich entweder als mit feinem Spott formulierte Satire oder schlicht als, so die Meinung anderer Anwesender, gut fotografierte aber missglückte Naturdokumentation. Randnotiz: Der Beitrag von Kurt Hoffmann gewann im letzten Jahr auf der 25. Bremer Kurzfilmschau den Ehrenpreis des Publikums, die Auszeichnung wurde mit den Worten „… der in hervorragender Qualität und vielen Makroaufnahmen die Flora und Fauna am Straßenrand darstellt …“ begründet, was den zweiten Standpunkt stützt. Schade.

Schlussendlich waren es diese zwiespältigen Beiträge, die den Charme der diesjährigen Videonale ausmachten, geht das Festival doch auf die sogenannten Dachboden-Videnoalen zurück, die noch in die Zeiten der Deutschen Demokratischen Rebublik datieren und auf denen Amateurfilmer einem ausgesuchten Publikum ihre selbstgedrehten Filmchen präsentierten. Den Publikumspreis, dotiert mit 300 Euro, erhielt die Komödie „Clint“ (Phillip Scholz), der Preis der Jury wurde Thomas Galles „Superfinn“ zugesprochen. Und das zu Recht!

Text und Foto: Martin Daßinnies

Publikumsgewinner: „Clint“ von Phillip Scholz