„Orly“ in Ludwigshafen als bester Film ausgezeichnet


Im ersten Teil unseres Festivalberichts aus Ludwigshafen konntet ihr erfahren, wie sich das Festival des deutschen Films in der Filmfestival-Landschaft im Bezug auf das Verhältnis von Kino und Fernsehen positioniert hat. Nun geht es ans Eingemachte.

Womit wir bei den Preisen des Jahrgangs 2010 sind. Insgesamt sechs Preise verteilten Publikum und die aus der Regisseurin Helma Sanders-Brahms, dem Produzenten Roman Paul und dem Filmkritiker Wolfram Schütte bestehende Jury. Im Wettbewerb konkurrierten insgesamt 13 Filme, begleitet wurde er von einem Kinderfilmprogramm, der oben erwähnten Auswahl herausragender Fernsehfilme und der Reihe „Lichtblicke“.
Interessanterweise feierten ausnahmslos alle prämierten Filme des Jahrgangs 2010 ihre Premiere auf der 60. Berlinale im Februar. Das Rennen um den mit 50.000 Euro dotierten „Filmkunstpreis 2010“ in der Kategorie Bester Film machte „Orly“ von Regisseurin Angela Schanelec, der von den beiden Filmfirmen „Nachmittagfilm Angela Schanelec“ & „Ringel Filmproduktion“ gefertigt wurde, die sich das Preisgeld teilen dürfen. In der Begründung der Jury heißt es:
An einem zentralen Ort des modernen Lebens, einem Großflughafen, entdeckt Angela Schanelec liebende Paare, die einem verfehlten Leben nachdenken oder einem ersehnten Leben entgegenträumen. Mit überraschender Leichtigkeit, menschlicher Wärme und sanfter Ironie liest ihr Film der Anonymität des Transit- und Warteraums „Orly“ zarte und bewegende Lebensgeschichten ab. Es sind poetische Momente des individuellen Innehaltens in einer davon unberührten dokumentarisch erfassten Welt der flüchtigen Bewegungen.

Damit setzte sich „Orly“ in einer starken Konkurrenz durch, in der Werke wie Thomas Arslans unterkühlter Thriller „Im Schatten“, Benjamin Heisenbergs rastlosen, Marathon laufenden „Der Räuber“ oder Andreas Kleinerts ländliches Casting-Drama „Barriere“ ebenso leer ausgingen, wie der auf der Berlinale kontrovers diskutierte „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ von Oskar Roehler. Statt des Regisseurs konnte immerhin sein Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu einen Preis einheimsen. Bleibtreu gewann den „Preis für Schauspielkunst 2010“ für seine wirklich bemerkenswerte Schauspielkunst, die über die Rolle des Nazi-Ober-Propagandisten Joseph Goebbels im Roehler-Werk hinausreicht, mit dem er aktuell im Programm vertreten war. Das Festival würdigte mit der Ehrung sein bisheriges berufliches Schaffen mit unvergessenen Hauptrollen in Tykwers „Lola rennt“ oder in den Akin-Filmen „Im Juli“, „Solino“ und „Soul Kitchen“.

Noch nicht für sein Gesamtschaffen, aber für seine „Besondere Einzelleistung“ zeichneten die Juroren Robert Gwisdek, den Sohn der Schauspieler Michael Gwisdek und Corinna Harfouch, für seine Rolle als querschnittsgelähmter Benjamin in dem Film „Renn, wenn Du kannst“ aus. Sie würdigten „seine alle Charakterbereiche durchmessende Leidenschaft, Mensch zu sein, ohne je sentimental zu werden“, wie es in der Begründung heißt. Eine Einschätzung die das Publikum offenbar teilte. Die ungewöhnliche Liebesgeschichte von Regisseur Dietrich Brüggemann gewann auch den Publikumspreis, den er sich allerdings mit dem Regie-Duo Claus Wischmann und Martin Baer und deren Film „Kinshasa Symphony“ teilte.
Über gleich zwei Auszeichnungen durften sich „Shahada“-Regisseur Burhan Qurbani freuen, der in den (undotierten) Kategorien „Originellste Darstellungsform“ und „Originellstes Thema“ geehrt wurde. Er überzeugte die Jury „durch die Ernsthaftigkeit und Intensität, mit der sich der Film seinem vielfältig aufgeblätterten Konflikten stellt: der herz- und leibzerreißenden Spannung zwischen Eros und Religion, Glück und Angst im metropolitanen Islam.“ Nach der Nominierung in den Berlinale-Wettbewerb nun also weitere Auszeichnungen für den Debütfilm des viel versprechenden deutsch-afghanischen Jung-Regisseurs für sein Leinwanddebüt, welches übrigens von Pepe Danquarts Produktionsfirma „bittersuess pictures“ und dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF koproduziert wurde.

Denis Demmerle

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