Britspotting im Babylon Mitte


Filmszene: "Four Lions"

Filmszene: "Four Lions"

Riskantes Festivalkino von der britischen Insel

Die britisch-irische Jahresleistungsschau britspotting offenbart ab dem 21. Januar die bemerkenswerte Bandbreite der Filmschaffenden in Großbritannien und Irland im Babylon:Mitte. Im Programm fallen zuerst zwei Werke ins Auge und die aus völlig unterschiedlicher Sichtweise: Zum einen der starbesetzte Eröffnungsfilm „Never Let Me Go“ (Mark Romanek), der mit Carey Mulligan, Keira Knightley, Andrew Garfield und Charlotte Rampling gleich vier absolute Topstars zu bieten hat und zum anderen die viel diskutierte Terroristen-Satire „Four Lions„, das Regiedebüt vom Comedian Christopher Morris.

Dessen Werk um fünf dilettantische Islamisten bemüßigte die bayrische CSU laut über einen Eingriff ins nationale Kinoprogramm nachzudenken. Deren Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer forderte kürzlich im Spiegel´schen Fernsehboulevardmagazin SPIEGEL TV eben jene „Four Lions“ nicht zu zeigen. Da „es sehr gefährlich sein könnte, diesen Film jetzt in deutschen Kinos zu zeigen.“ (zum Spiegel-Artikel) Die Satire könne „Öl ins Feuer“ gießen. Ob der Streifen die Aufmerksamkeit und Sorge (sprich PR) des Politikers verdient, können Festivalbesucher bei britspotting schon weit vor dem offiziellen Kinostart im April beurteilen.

„Diese rabenschwarze Komödie, die sich keinerlei Fesseln der political correctness anlegt und stattdessen kräftig und nach allen Seiten gleichmäßig austeilt.“, wie Martin Gobbin bei f.lm meint, ist einer der Filme, die Festivalleiterin Alex Thiele ihren Gästen neben „Never Let Me Go„, „Womb„, „Chatroom“ und „Skeletons“ besonders ans Herz legt. Thiele freut sich nach der 13-monatigen Pause und dem Terminwechsel zum Januar, darüber einige Filme „mit größerem Budget im Programm zu haben„. Sie blickt aber mit Sorge in die Zukunft der Filmregion. Dort wurde das UK Film Council, die staatliche Filmförderung, im letzten Jahr ebenso überraschend, wie plötzlich geschlossen, was die dortige „Filmindustrie schockierte„, wie sie sagt. Wie sich das auswirkt, muss die Zukunft zeigen.

Lemmy Kilmister

Lemmy Kilmister

Nicht wenige sind in Sorge. So wertet beispielsweise Xan Brooks im blog des Guardian die 14 Nominierungen vom Council-geförderten „The King`s Speech“ (leider nicht bei britspotting, aber ab 17.2. in den Kinos) bei den anstehenden BAFTAs (kurz für British Academy of Film and Television Arts Awards, dem renommiertesten britischen Filmpreis), als Ehrerbittung für das Filmförderinstitut und dessen Leistungen. Brooks wundert sich nur wenige Zeilen später über das Fehlen eines anderen britspotting-Beitrags: Der Bestsellerverfilmung „Never Let Me Go„, die am Freitag das Filmfestival eröffnet. Die Science-Fiction-Romanze nach dem Roman von Kazuo Ishiguro ist im Babylon schon gute zwei Monate vor seinem offiziellen Kinostart zu sehen und verspricht nicht nur dank der fantastischen Besetzung ein Hit zu werden.

Doch eben nicht nur solche starbesetzte Hits, die größtenteils ihren sicheren Weg in die großen Kinos finden, machen gelungene Filmfestival aus. Es sind Kleinode, wie die Doku „Lemmy“ über den gleichnamigen Frontmann von Motörhead, der schwarzhumorige „Skeletons“ oder das Ken Wardrop Special. Dem irischen Dokumentaristen widmet das Festival mit der „His and Hers“ und dessen „Wonderful World of Shortfilms“ gleich zwei – vermutlich terrorfreie – Programmblöcke.

Denis Demmerle

Britspotting 21. bis 30. Januar, babylon Mitte, www.britspotting.de