Festival des gescheiterten Films im Babylon Mitte


Filmszene: "Ketchup in Tuva"

Filmszene: "Ketchup in Tuva"

Gescheitert aber nicht bedeutungslos

Jedes Festival, jeder Entscheidungsakt von Redaktionen und Verleihern produziert einen reichen Fundus an abgelehnten Filmen, die trotz Qualität keinen Weg an die Öffentlichkeit finden, aber durchaus innovative Impulse geben könnten. Die Idee zu einem Festival, das das „Scheitern“ zum Thema der Filmauswahl macht, kam Festivalinitiator Hartwig Müller vor sieben Jahren. Ohne eine einzige Förderung und mit genau einem Teilnehmer – Müller selbst – und zwei Zuschauern, Müller und seine Freundin. Vielleicht scheiterte der Start damals noch im Sinne des kommerziellen Erfolgs. Auf lange Sicht hat sich Müller damit jedoch eine Nische geschaffen, die besser funktioniert, als so manches Festival, das namhafte Autoren, Regisseure und Filme aufbieten kann. Heute verbucht das Festival, das neben Berlin auch in anderen deutschen Städten auf Tour ist, regen Zulauf. Nicht nur die eingereichten Beiträge, auch die Zuschauerzahlen steigen stetig. „Aus den hunderten von Einsendungen sind die Ausgesuchten immer die, die mich am meisten berühren„, erzählt Festivalleiter Hartwig Müller. „Jeder Einreicher begründet auch sein Scheitern. In Kontakten frage ich das nach und lote aus, inwiefern das Scheitern plausibel ist. Ich selbst habe keine Messlatte mit der ich ´Scheitern´ bemesse. Einen Film als schlecht gemacht zu betrachten, ist immer eine Frage des Blickwinkels. Meine jahrelangen Erfahrungen haben mich gelehrt, wie schnell ich mich täusche. So ist der Film „Ketchup in Tuva – A Transsiberian Treasure Hunt“ von Eike Schmitz ein genialer Film.

Jeremy, ein Hippie aus Kalifornien, glaubt daran, dass Träume Wirklichkeit werden können. Auf der Flucht vor dem Vietnam-Krieg landet er in Katmandu. Nach dem Zerfall der Sowjetunion nutzt er seine Verbindungen, um seinen Traum zu verwirklichen: Mumien zu finden im ewigen Eis, und deren Grabbeigabe – Gold, Edelsteine, vielleicht sogar das Grab Dschinghis Khans. Er bezahlt eine Expedition des Petersburger archäologischen Instituts, dem das Geld für Grabungen ausgegangen ist, in die Bergregion von Tuva, einem kleinen Staat in Zentralasien, der während der Sowjetzeit für westliche Besucher gesperrt war. Der Film begleitet die seltsame Truppe auf einer abenteuerlichen Fahrt von St. Petersburg mit der transsibirischen Eisenbahn bis nach Kyzyl, der Hauptstadt von Tuva. Von dort geht es mit Bussen und LKWs weiter über zerstörte Brücken und überflutete Straßen in die eisigen Höhen des Altaigebirges, zum mythischen Ort Shambala. „Ketchup in Tuva“ (2009) ist ein Road Movie in ein fernes Land im Herzen Asiens, in dem die Wirklichkeit manchmal als Traum erscheint. Es ist die wahre Geschichte einer unmöglichen Reise.

Filmszene: "Making Of Süsse Stuten 7"

Filmszene: "Making Of Süsse Stuten 7"

Der Animationskurzfilm „Fallen gelassen“ (2008) von Max Baberg und Daniel Büttner handelt von dem Mädchen Anna, das durch ihren Gegenspieler Lars, aber auch durch ihre widrige Umwelt und soziale Herkunft in einen Abwärts-Strudel gerät, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. „Fallen gelassen“ beinhaltet das Thema „Scheitern“ in einem sozialen Kontext. Trotz dessen, dass Anna keine Fehler macht, wird ihr die Schuld am Tod eines Menschen gegeben. „Nicht nur pädagogisch sehr wertvoll, sondern auch eine spannend erzählte Milieustudie, trotz des Playmobil-Outfit.„, wie Müller erklärt. Ganz anders die Kömodie „Making of Süsse Stuten 7“ (2009) von Daniel Hyan. Er zeigt die chaotischen Dreharbeiten des siebten Teils der fiktiven „Süsse Stuten“-Pornoreihe. (Siehe Filmausschnitt unten) Der ganz normale, tägliche Wahnsinn am Pornofilm-Set: Intrigen, Nervenzusammenbrüche und Erektionsschwierigkeiten. „Als Film schon allein deshalb gescheitert, weil es sich um eine zusammengeschnittene Webserie handelt.“ Inhaltlich ist „Making of Süsse Stuten 7“ eine Parade des Scheiterns, jede Figur – vom Pornodarsteller bis zum Setpraktikanten – scheitert auf ihre Weise. „Eine herrliche Parodie auf die Pornoindustrie, auf die überspannten Selbstüberschätzer bei Film und Fernsehen.

Martin Daßinnies

Festival des gescheiterten Films, 17. bis 19. Januar, Babylon Mitte, www.der-gescheiterte-film.com