achtung berlin 2011: Gedanken zur Musik- Retrospektive


Filmszene: "So war das SO 36"

Filmszene: "So war das SO 36"

Am Tag darauf ein Besuch im Filmtheater am Friedrichshain. In dem Verhältnis, in der man zu einer Spielstätte steht, ist es nicht falsch, mehrere Eigenschaften zu beleuchten: Ob es etwa seinem Ruf angemessen ist, seine Form befriedigt. Ist da eine Fertigkeit, die wir den Machern neiden und wenn ja, wie macht sich der konkrete Stil bemerkbar? Treffsicher lief das Portrait „So war das SO 36“ (1980 bis 1984, Manfred Jelinski, Jörg Buttgereit) über den wohl bekanntesten Kreuzberger Club gut eine Stunde zu spät an. Die leicht angesäuerten Gäste nahmen Platz und bestaunten die wirklich hässlichen Plastikimitatvorhänge des Saals, denn auch nachdem das Licht zum dritten Mal gedimmt wurde, markierte das noch lange nicht den Beginn des Filmes.

Plötzlich das erste Bild. SO36, das noch keinen Wert in sich selbst hat, lernt man demgemäß gleich in der ersten Sequenz als Anlaufpunkt für junge Punks kennen. Und das war es eigentlich auch schon. Es bleibt in seiner Eindimensionalität stringent. Selbst die Charaktere haben sich nicht großartig gewandelt. Während Blixa Bargeld damals nicht gesünder aussah als heute, war Farin Urlaub schon vor 30 Jahren für jeden schlechten Kalauer zu haben. In seinem Bemühen antibürgerlich zu sein, ist der Streifen pathetisch. Allerdings weiß man danach genau, warum heute nur noch Bier in Pappbechern ausgegeben wird. Das zu meist geworfene Dosenbier als untergegangenes Totem für den Verzicht auf Selbstbeobachtung stemmt dazu auch gleich noch eine Handlung mit, die genau genommen nicht da war. Optimistisch kann man in der Konzertkultur des SO36 der frühen Achtziger Jahre eine archaische Variante einer direkten Demokratie entdecken. Soll heißen, wenn man ohne Platzwunde wieder von der Bühne ging, hatte man wohl alles richtig gemacht. So bestand das Publikum größtenteils aus Ehemaligen und schon wie einige Tage zuvor bei „Femini„, war es die Wiedersehensfreude mit dem früheren Look, die den Zuschauer bei der Stange hielt.

Zwei Tage darauf ging es wieder einmal ins Babylon. Auf gut Deutsch: Man musste sich in Geduld üben. Das Warten stand dieses Mal im Zeichen der Regisseure Nina Fischer und Maroan el Sani und ihres Films „Club 2000 – Rom, Paris, Marzahn“ (1998). Ihr Kurzfilm stellte sich als merkwürdiger Hybrid aus Yesterday´s Tomorrow Sci-Fi und Mockumentary heraus. Es geht um das Ende von Berlin-Mitte als Subkulturspielplatz. Neue bezahlbare Räumlichkeiten mussten her. Je größer und heruntergekommener, desto besser. Genau genommen läge einiges näher als Marzahn, aber diese gewaltigen, ungenutzten Betonklötze mussten auf damalige Veranstalter von Techno-Parties schon einen gewissen Reiz ausgeübt haben. So laufen ein Dj und seine Freundin mit Doppel-Dutt-Frisur halb staunend, halb angewidert durch Berlins bekannteste Neubautristesse und können sich nicht so richtig entscheiden, ob man hier etwas aufziehen möchte und vor allem kann. Bis heute passierte noch nichts. Da aber Neukölln seit einigen Jahren eine vehemente Umstrukturierung erlebt und auch der ein oder andere Biobäcker bereits gesichtet wurde, könnte es ja noch was werden.

Filmszene: "SubBerlin"

Filmszene: "SubBerlin"

Die Hausbesetzung als notwendigen kreativen Entfaltungsprozess findet seine Verortung wohl meist im Punkrock. Dabei profitierte keine andere Szene so sehr vom enormen Leerstand Berlins, wie die Technoszene Anfang der Neunziger Jahre. „SubBerlin“ (2008, Tilmann Künzel) wirft den Zuschauer genau in diese Zeit zurück. Die DDR war Geschichte. Berlin war wieder Berlin. Noch vor dem Einigungsvertrag fanden sich zwei West- und ein Ostberliner zusammen, um einen Club zu gründen. So bewegte man sich auf dem Niemandsland des Potsdamer Platzes und fand das Kellergewölbe des ehemaligen Kaufhauses Wertheim. Mehr urbanen Mythos brauchte es nicht, um einen der erfolgreichsten Clubs der nächsten 15 Jahre auf die Beine zu stellen. Tresor war sein Name. Seine Trademarks waren Sauerstoffarmut, Stroboskopgewitter und der typische Bum Bum Bum Bum Techno.

Eine intakte symbolische Ordnung schließt in sich eine Balance. Eine Balance, die Berlin damals nötig hatte. Der Einfluss des Technos auf das Zusammenwachsen von Berlin war enorm. Zu Anfang gab es noch keine Dresscodes, dafür lustige bunte Pillen und ohrenbetäubende Bässe. Im Gegensatz etwa zur „Royal Bunker„-Dokumentation wirken die Akteure reflektiert und pflegen ein Understatement, dass stilsicherer ist. Wenn man Erfolg hat(te), braucht man das eben nicht in jedem Nebensatz zu erwähnen. „Dann tanz mal schön du kleine Partymaus.“ – auch hier wurde der Kinobesuch als Happening verstanden. Ehemalige Stammgäste erfreuten sich, ein Teil des taktilen Schabernacks zu sein, doch war hier mehr Wehmut spürbar. Techno, diese haptische Kommunikation von Körpern scheint ihre nächste Kommunikationsstufe eben erst im Sex wieder zu finden. Eine gut gemachte Dokumentation.

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