Einblicke: First Steps Award 2011


Clemens Schick singt

Clemens Schick singt

Bereits die erste Vergabe für den besten Kurz- und Animationsfilm gewährt einen guten Einblick in die Vielfalt von Themen und Herangehensweisen. Da trifft dann das Edgar Allon Poe Zitat aus Kassel („Die Flaschenpost„) auf den schrägen Flamingo aus dem Computer („Flamingo Pride“), um über Austrofaschismus („Heldenkanzler„) zu debattieren. Verlorene Jugendliche aus Irland („Lucky Seven„), ein deutsches Ehepaar in Indien („Raju„) und ein Mann, unterwegs auf argentinischen Straßen zur Feier der 200-jährigen Unabhängigkeit („Digame-Sag mir„). Zum besten Kurzfilm wird Josephine Frydetzkis Digame – Sag mir“ gekürt, ein gelungenes Werk, welches den Geladenen mit der etwas weniger gelungenen Jury-Begründung „Da schöpft eine junge Filmemacherin souverän aus der Tiefe der menschlichen Existenz“ erklärt wird. Frydetzkis von der HFF Potsdam-Babelsberg hingegen steht entspannt auf der Bühne und man kommt nicht umhin, einigen der prominenten Vortragenden eine ähnliche Attitüde zu wünschen.

Auch der zweite Gewinnerfilm  (Spielfilm bis 60 Minuten) dieses Abends, „Papa“ von Umut Dag aus der Filmakademie Wien, könnte kaum schöner beschrieben werden als „Es beginnt wie eine dokumentarische Prekariatsstudie – weinende Kinder, allein gelassen mit einem rappenden Macho…„. Und wieder – ein souveräner Preisträger. Jedoch gibt es in der ganzen Verleihung zwei Momente, die kippen. Der erste zieht sich eigentlich durch die ganze Dokumentarfilm-Sektion. Denn gerade in diesem Genre prallen gestelzte Rote-Teppich-Interviews so wunderbar gegen einen Inhalt, der nicht aufgeblasen daher kommen muss, um Wirkung zu erzielen. Insbesondere  der Film „Die Frau des Fotografen“ der beiden Freunde Philip Widmann und Karsten Krause überzeugt mit einer ruhigen Collage durch die individuelle Historie eines Paares, welches zu einer Familie wird und im Alter wieder Zweisamkeit erlebt. Eine Liebeserklärung auf 1241 archivierten Schwarzweiß- und Farbfilmen, die mit angenehm monotoner Erzählstimme Philip Widmanns  und Dokumentaraufnahmen der Witwe Gerti in einer besonderen Intimität aufblüht. Zwei Jahre Arbeit stecken in dem 29-minütigem Film, mehrtägige Treffen, Sichtungen, das vorsichtige Eintauchen in ein fremdes Leben – und dann wird man weggescheucht von Clemens Schick.

Anders macht es Judith Schöll, der zweite Moment der Irritation und gleichzeitig die einzige Kontroverse im Jury-Urteil. Ihr Werbefilm „Wir beklauen dich doch auch nicht, oder?“ gegen Filmpiraterie gewinnt den Commercial-Award – als offensichtlich nicht bester Film. Matthias Schweighöfer, der gerade pünktlich von seiner eigenen Filmpremiere am Alexanderplatz in das Theater am Potsdamer Platz gejettet ist, verliest die Begründung mit deutlichem Unwohlsein. Und Schöll – sie tritt ebenso verwundert auf die Bühne, wie die Zuschauer zu ihren Sitznachbarn gucken und stammelt über ihr großes Vorbild: Bernd Eichinger. Stille und verlegenes Klatschen. Mit dem abendfüllenden Spielfilm „Kriegerin“ von David F. Wnendt über Marisa, eine Rechtsradikale aus Überzeugung, wird der letzte Preis des First Steps Awards verliehen. Man bleibt im Zeitrahmen von nur knapp 1,5 Stunden, da das Tempo zum Ende noch einmal kräftig  angezogen wurde. Von den Preisträgern ist auf der anschließenden Party zwischen Mousse au Chocolat und Mädchen mit Bauchläden voller Pralinen nicht mehr viel zu sehen. Womöglich werden die Gespräche andernorts geführt. Zu wünschen wäre es allen Nominierten und Preisträgern – sie haben mehr Stil bewiesen, als jene, über die berichtet werden wird.

Text: Carolin Weidner

Video: Sara Strobl

Foto: Jirka Jansch

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