Down Under Berlin: Ein Auftakt nach Maß


Filmszene: "Holy War, Inc."

Filmszene: "Holy War, Inc."

Neben diesen beiden thematischen Schwerpunkten sollten aber auch andere Geschichten erzählt werden. Den Publikumspreis, den Down Under Berlin Short Film Award, erhielt überraschend „Old War„, der lediglich in Australien spielt, aber ein sehr europäisches Problem zu einem universellen werden lässt. Ein junger Mann und eine junge Frau treffen sich auf einer Party und verbringen eine Nacht mit einander. Es könnte Liebe werden, denkt man, als Lola ihre Liaison zärtlich weckt. Doch leider stellt sich heraus, dass sie zwar in Australien geboren ist, allerdings serbische Wurzeln hat und ihr Liebhaber, Peter, aus Bosnien stammt. Regisseurin Danielle McCarthy, deren Herkunft selbst im ehemaligen Jugoslawien zu finden ist, beeindruckte wohl mit ihrem Regiedebüt gerade durch diesen zugespitzten zwischenmenschlichen Konflikt. Ein Konflikt, der im Grunde keiner sein sollte, da hier die Frau (verkörpert durch Teresa Jakovich) nach ihrer Herkunft, nicht aber nach ihrem Wesen von bewertet wird.

Holy War, Inc.“ markierte als sehr brutaler und blutreicher Film den doch sehr typischen Humor des australischen Films. Gott wird hier mit einem riesigen Umschnall-Dildo penetriert, um später seinem Nachfolger „god 2.0“ Platz zu machen. Ein Film, der gerade durch seine sarkastischen wie gewaltsamen Darstellungen dann doch sehr subtil auf den Status der Weltreligionen blickt. „Cracks in the Mask“ rundete als letzter Langfilmbeitrag den Festival-Fokus „Aboriginal Australia“ ab. Er erzählte die Geschichte von Ephraim Bani, der sich als Vertreter und Botschafter der indigenen Völker der Torres Strait Islands auf die Suche nach den Schätzen und dem kulturellen  Erbe seiner Ahnen, im fernen Europa machte. Diese Dokumentation und der darauf folgende Vortrag des Leiters des Ressorts Ozeanien und Australien im Ethnologischen Museum in Dahlem Dr. Markus Schindelbeck offerierten, wie diffizil der Umgang mit Kulturgütern aus anderen Ländern dieser Erde ist, die in den Museen der westlichen Welt nur zum Teil gezeigt werden oder in den Archiven vor sich hinschlummern.

Filmszene: "Cracks in the Mask"

Filmszene: "Cracks in the Mask"

Die Diskussion um die Büste der Nofretete vor Augen handelt es sich bei Banis Kulturgütern eher um Gegenstände, Masken, die für ihn und sein Volk einen qualitativ höheren Stellenwert haben. Es sind eben nicht nur geraubte Kunstschätze, die der Europäer meist als ästhetische Erfahrung wahrnehmen möchte, wie ein Gemälde, eine Büste oder eine Skulptur. Nein, diese Kunstgegenstände sind eben keine Kunst. Für Bani sind es Kulturgegenstände, die Identität stifteten und im Leben der Inselbewohner eine entscheidende gesellschaftskonstituierende Rolle spielten. Viel konnte Bani nicht mit in seine Heimat mitnehmen, ausser die Erkenntnis, dass der europäische Wissenschaftsbetrieb sich als Hüter dieser Kulturgüter versteht. Zwar besteht heute ein reger Austausch unter vereinzelten Ethnologen mit den Bewohnern der Torres Strait Islands, das immerhin hat Ephraim Banis Europareise geschafft. Doch anzunehmen, dass eine gänzliche Rückführung und Rückgabe von Gegenständen erfolgt, ist auch aus Dahlemer Sicht natürlich illusorisch.

Das erste Down Under Filmfestival hat seinen Besuchern dementsprechend viel Neues mit auf den Weg gegeben: Aktuelle, stilistisch sehr unterschiedliche wie erfrischende Kurzfilme, die noch nicht gesehene Perspektiven und unbekannte Horizonte auftaten. Gerade die Dokumentationen zeichneten Bilder Australiens, darunter auch „Our Generation“ (Sinem Saban und Damien Curtis), der den Publikumspreis des Festivals erhielt, die die europäischen Mainstream-Medienmaler kaum malen, höchsten tünchen können.

Sven Bruelke


Foto by Down Under Berlin (Andreas Sohn)

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