Festivalbericht: Going Underground


Festivalausgang Weinmeisterstraße; 16.57 Uhr

Festivalausgang Weinmeisterstraße; 16.57 Uhr

Von zwei Optionen ist entsprechend diejenige Option von größerem Wert, die mehr zum subjektiven Wohlbefinden von Personen beiträgt. Konstitutiv entschieden sich die Reisenden für ein passives Herumsitzen- oder stehen und gegen die Teilnahme am Festival. Amüsanterweise erhält das Herumstehen so erst überhaupt einen Wert. Dabei war der Science-Fiction-Mini „Terrafarmer“ von Will Adams durchaus verfolgenswert. In schrulligen Animationsbildern wird die Diskrepanz des Erlebens von Gefahr durch Mensch und Maschine angeschnitten. Klare Verweise auf die Sci-Fi-Pulp-Kultur der 50er Jahre und ein explodierender Roboter führten aber nur zur Publikumsreaktion: „Mann war der Umzug stressig. Aber jetzt ziehen alle ihre Schuhe aus.“ Ein junger Mann in einem roten „Vans“-Shirt und eine ihm Bekannte verfolgten den Film schmunzelnd und sahen ihn, weil die Konversation locker aber nicht angeregt verlief.

An dieser Stelle kann man nur noch euphemistisch konstatieren, dass die Passanten und Reisenden gegenüber den Optionen „Reisender“ und „Passant“ zu bleiben oder „Zuschauer“ zu werden, entweder indifferent bleiben oder in ihrer soziologischen Ausgangssituation verweilten. Das Gefühl der indifferenten Teilnahme wurde aber nur hergestellt, wenn man erstens nicht alleine unterwegs war, zweitens über keinen eigenen Bildschirm verfügte und drittens keinen wirklich Gesprächsstoff anbieten konnte. Dem Festival fehlte es also nicht nur an Fröhlichkeit, sondern auch an Besuchern. Die Filme waren so einer besonders materialistischen Art des Sehens ausgesetzt, die ein spontanes Urteil förderten und eine Erinnerung im Rohzustand hinterließen. Das spontane Urteil ist dem Schaufensterbummel ähnlich. Es reiht sich Impression an Impression, doch das Einzige, was am Ende bleibt, ist ein Gefühl. So kann ein Schaufensterbummel schön sein oder eben nicht. Da den meisten Passanten aber ein „eigenes Fenster“ zur Verfügung stand, wird das „Berliner Fenster“ nur flüchtig wahrgenommen. So gut wie nie wird die Perspektive gewechselt. Schade, denn trotz ihrer delirierenden Ausbrüche wollten die mitunter durchaus sehenswerten Streifen die Meinung wenigstens für einige Sekunden bestimmen und den Unbeteiligten zum Examinatoren verwandeln. Doch die U-Bahn ist als Austragungsort eines Festivals mehr als eine semiotische Herausforderung, der die Passanten, so scheint es zumindest, entkommen wollen, um möglichst wenig vom anderen zu sehen.

Joris J.

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