Festivalbericht: Around The World in 14 Films

Hüter des Grotesken - zwischen Clowns, Sheriffs und Neonazis


Filmszene: "Mad Circus"

Filmszene: "Mad Circus"

Die Stille nach dem Schuss – so sollte man den Beginn des ersten Abend des Around The World in 14 Films Festivals sehen, nachdem Volker Schlöndorff seine Laudatio für seinen Festivalschützling „Mad Circus“ hielt. Er machte weder ein Geheimnis daraus, dass der Film ihm zwei schlaflose Nächte bereitete und für seinen Geschmack in der Bildsprache ein wenig zu katholisch ist, noch das Filmfestivals im Allgemeinen eher notwendige Übel als gewinnbringende kulturelle Ereignisse sind. Sie generieren Publikum für Filme, die in den Multiplex-Einöden einfach nicht mehr Einzug halten. So muss sich der Zuschauer mit dem gesteigerten Gefühl der cineastischen Selbsterschließung begnügen und der Regisseur muss sich als Tourmanager beweisen, damit sein Film Aufmerksamkeit bekommt, denn in der immer perfideren Jagd nach eben solcher, und dazu noch im Zeitalter der kompletten, alles umfassenden Medialisierung, ist der Erwerb von Aufmerksamkeit eine anerkannte Zweitwährung – und für manche Filmschaffende der einzig erreichbare Gewinn.

Moderates Klatschen geleitete Herrn Schlöndorff zu seinem Sitz zurück. Das Licht wurde abgedunkelt und „Mad Circus“ begann. Es ist nichts neues, dass nicht wenige Kinder unter Coulrophobie, der Angst vor Clowns leiden. Bereits in Filmen wie „Es„, „The Devil´s Rejects“ oder „House of 1000 Corpses“ wird diese Angst ausgespielt. Noch bevor der Zuschauer mit den ersten Bildimpressionen beladen wird, hört er Kinder mit der alterstypischen Melange aus Furcht und Begeisterung schreien. Das ambivalente Gefühl der Angst-Lust rührt daher, dass Clowns nicht allein unterhaltsam sind und Spaß verbreiten, sondern zugleich unberechenbar erscheinen, da ihre Mimik unter der Schminke nicht lesbar ist. Auch ein mörderischer Clown lacht noch, ganz zu schweigen von der grellen Kleidung und der ins Absurde verzerrten Körperproportion. „Mad Circus“  nutzt wie zuletzt „Pan’s Labyrinth“ den Spanischen Bürgerkrieg als historische Manege. Ein metzelnder Clown wird, nachdem er zahlreiche Franco-Soldaten getötet hat, verhaftet und von seinem Sohn Javier (Carlos Areces) getrennt. Vom Krieg und der Abwesenheit des Vaters gezeichnet, versinkt Javier in eine Depression– denkbar ungünstig angesichts seines Wunsches, wie sein Vater Clown zu werden und Kinder zu erfreuen und selbstredend auch ein Stück weit zu ängstigen. 36 Jahre später ist aus dem traurigen, kleinen Jungen ein korpulenter, in sich gekehrter Mann geworden, der lediglich die Rolle des traurigen Clowns übernehmen und als Opfer der Scherze des lustigen Clowns dienen kann. Im Zirkus lernt er eine attraktive Artistin (Carolina Bang) kennen, die sich auf Grund ihrer emotionalen Instabilität und aus Angst vor ihrem aufbrausenden, gewalttätigen Freund, der vielleicht gerade wegen seines bösartigen Wesens den lustigen Clown gibt, zu Javier hingezogen fühlt. Freilich vögelt sie eine Einstellung später wieder mit dem Wüstling Sergio.

So ist sie Auslöserin eines Melodrams, das kitschiger und klischeebeladener nicht sein könnte. Ja, man bekommt beim Zusehen schon ein bisschen Zahnschmerzen. Die Katharsis folgt, als Javier auf Grund einer handfesten Auseinandersetzung in den Wald flüchten muss, dort mit der Ungerechtigkeit des Lebens, symbolisiert durch einen Hirsch und ein Schwein, ein weiteres mal konfrontiert wird und anschließend von einem Lakai Francos gefoltert und gedemütigt wird. Der traurige Clown wird ein bösartiger Clown, der sich das Gesicht mit Säure verätzt und in ein Kardinalsgewand gehüllt Amok läuft. „Mad Circus“ ist wie eine Flasche Ketchup, die man sich über dem Gesicht ausdrückt. Infantile, orgiastische Gewalttaten, die Regisseur Álex de la Iglesia einer Portion Pommes gleich als fettig und konsumierbar stilisiert, begleiten das Scheitern von drei dazu Prädestinierten vor der Kulisse einer Diktatur, die nie wirklich aufgearbeitet wurde. Nicht schlecht, aber dem Streifen fehlt das gewisse Etwas, das „Perdita Durango„, ebenfalls von Iglesias, noch sein Eigen nannte.

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