Festivalmacher: Hannes Brühwiler

Independent-Kino entklären


Hannes Brühwiler, Foto: Martin Daßinnies

Hannes Brühwiler, Foto: Martin Daßinnies

Das Café am Kino Babylon in Mitte. Draußen ist es kalt, drinnen angenehm warm. Das Lokal ist gegen 16 Uhr gut besucht. Ein Mann mit schwarzen Schuhen und rosa Schnürsenkeln sitzt mir gegenüber. Es ist Hannes Brühwiler. Er ist der Initiator des Filmfestivals Unknown Pleasures, das im Januar seine vierte Ausagabe feiern wird. Ein Festival, das sich ausschließlich dem US-amerikanischen Independent-Film widmet.

Als Hannes Brühwiler 2005 nach Berlin kam, lag bereits die Leitung eines Kinoclubs in der muggeligen Schweiz hinter ihm. Das Schwizerdütsche schlägt vereinzelt noch immer bei ihm durch. In sich gekehrt und einen Punkt an der Wand fokussierend, dauert es eine Weile, bis er richtig aus sich herauskommt. Zu so jemanden passen mythische Aussenseiterfiguren, denkt man. Figuren, wie sie das US-amerikanische Independent-Kino nicht nur im Dutzend bereit hält. Als mit dem Aufkommen der DVD Filmemacher wie Jim Jarmusch in sein Leben traten, wurde ihm klar, „dass es noch eine ganz andere Art von Kino gibt„. 2008 dann und „eher nebenbei„, begab er sich in die Welt der Filmfestivals, besuchte Festivals in Locarno und Wien und konsumierte viel von dem, was man gemeinhin als Independent-Film kennt. Der Nährwert des Ganzen stellte das Programm der ersten Ausgabe des Filmfestivals Unknown Pleasures. Brühwiler orientiert sich noch heute an seinen eigenen Vorlieben und an den Erfahrungen, die er auch als Kurator von Filmreihen für das Babylon gesammelt hat. Kenner des unabhängigen Kinos musste er mit seinem Programmen noch nie überzeugen. Aber die stellen erfahrungsgemäß nie die große Zuschauermasse. 2011 verzeichnete sein Festival mit der dritten Ausgabe dennoch einen deutlicher Popularitätssprung.

Mit Unknown Pleasures will Hannes Brühwiler aber nicht nur Filme vorstellen, die man hierzulande nur selten (oder gar nicht) sehen kann. Er will amerikanisches Independent-Kino entklären. Denn das Wort Independent ist in „erster Linie zu einem Marketing-Begriff“ verkommen, das genau genommen auf nichts mehr hinaus möchte, als auf den phonetischen Mehrwert, den es generiert.  Sicherlich, Independent „bleibt eine problematische Definition„, aber bei der Auswahl der Filme achtet er darauf, dass diese weitestgehend unabhängig von den Hollywood-Studios entstanden. So zum Beispiel Joe Swanbergs neuen Film „Silver Bullets„, in dem es um das Drehen eines Horrorfilms geht. Zum Frösteln ist die heutige Situation dieser studiofreien Produzenten. Swanberg beispielsweise bietet seine Filme über eine Hompage in einem Abo-System an. „Vier Filme hat er ausgewählt. Drei Monate am Stück. Und dann kriegt man Film, Poster, Soundtrack. Das gibt´s für 100 Dollar.„, erzählt Brühwiler. „Der unabhängige Filmemacher muss heute nicht mehr nur Filme drehen, er muss sich auch selbst vermarkten.“ Ted Hope etwa sagt: „Ein Film muss, bevor er überhaupt Geld bekommt, erst einmal 10000 Facebook-Freunde haben.“

Hannes Brühwiler: "Die Situation des Independent-Films war schon immer prekär"

Hannes Brühwiler: "Die Situation des Independent-Films war schon immer prekär"

Brühwiler streicht eine Haarsträhne aus dem Gesicht: „Die Situation des Independent-Films war schon immer prekär„. Hinzu kommt, dass die Zeit, in der große Studios sich um Independent-Streifen bemühten, genau genommen vorbei ist: „Vor Tarantino, mit dessen Film ´Pulp Fiction´ der Boom des Independent-Films Anfang der 90er Jahre losging, kamen pro Jahr 60 Produktionen auf den amerikanischen Markt. Die haben 3 Prozent im Boxoffice ausgemacht. 2008 gab es 280 Filme mit einem Boxoffice-Anteil von 1,4 Prozent. Viele Filme werden in New York oder Los Angeles für eine Woche ins Kino geschmissen – und das war es dann.“ Nach Europa schaffen es die wenigsten. Das Wort unabhängig besitzt in diesem Sinn sehr enge Grenzen, um die Hannes Brühwiler in seiner Position als Festivalmacher weiß. Denn auch eher legt Wert auf Unabhängigkeit. Sein Festival finanziert sich zu 80 bis 90 Prozent allein durch den Ticketverkauf. Ein kleiner Teil des Geldes für die Organisation stammt von der amerikanischen Botschaft. Das war es. Man mag Aufwand und finanziellen Gewinn gar nicht gegenüberstellen. Aber darum geht es ihm letztlich gar nicht. „Am meisten freut man sich über Leute, die sagen, dass sie was völlig Neues gesehen haben.“  Da ist Hannes Brühwiler eherlich bescheiden. Und um so mehr wünscht man ihm, dass auch das diesjährige Festival seine Zuschauer findet.

Text: Joris J.

Foto: Martin Daßinnies

Unknown Pleasures, 1. bis. 15 Januar, Kino Babylon, www.unknownpleasures.de