Festivalbericht: British Shorts 2012

Festivalbericht 2012: Kurzweilig – kurzatmig - Kurzfilm


Der Award wird gefertigt

Der Award wird gefertigt

Schock und Schauer zur Schlafenszeit

Wem das alles noch nicht abgefahren und bizarr genug war, konnte sich am Samstag um Mitternacht einen Platz in der Midnight Movies-Vorführung sichern, was auch von einigen Zuschauern dankbar angenommen wurde. Mal abgesehen von dem etwas trashig anmutenden Beitrag „Score“ (Matt Mullins) in dem ein Vampir-Paar sich auf Nahrungssuche begibt, konnten viele Beiträge durchaus mit Schocksequenzen überzeugen und ihre Zuschauer das Fürchten lehren. Beispielsweise mimt in „Ella“ (Dan Gitsham) der eigentlich durch „Little Britain“ bekannte Comedian Anthony Head einen Jäger, der seine Familie vor einer unheimlichen Kreatur beschützen will, sich eine spannende Verfolgungsjagd durch den Wald liefert und am Ende schließlich eine Reinkarnation aus besagtem Wesen, seiner eigenen Tochter und seinem Schäferhund erschießt. Weniger dem Gothic-Horror verbunden, dafür aber äußerst sarkastisch und in Anlehnung an die diversen Schulmassaker der letzten Jahre funktioniert dagegen Jane Gulls Hitler & Henry III„: Was ist zu tun, wenn man als Lehrer seiner Klasse die Greueltaten einstiger Diktatoren nahebringen will und diese einfach nicht zuhören?

Natürlich, man bringt eine Waffe mit in die Schule und veranschaulicht willkürlichen Mord und Sadismus am besten, indem man die Schüler der Reihe nach bei jeder falschen Antwort einfach abballert. Bleibt nur noch die Frage, welche Noten man danach ins Klassenbuch einträgt. Als sehr kurzweilig aber mit einer derartigen Schockpointe, dass sogar ein kurzer Ruck durch die Zuschauerkörper ging, bleibt schließlich noch „Nick & Tara’s Sex Tape“ (Richard Anthony Dunford) zu erwähnen. Der Titel gibt zwar einen recht eindeutigen Hinweis auf den Plot, bedingt durch die Inszenierung mit einer Nachtsichtkamera fühlt man sich aber irgendwie an den Publicity-Porno „One Night in Paris“ erinnert. Beide Filme unterscheiden sich aber dadurch, dass Paris Hilton am Ende ihrer privaten Vorstellung nicht wie Nick und Tara von einem ekelhaften Monster abgemurkst wird und ob ihr das zu wünschen ist, sei mal dahingestellt.

Crossmediale Atempausen

TRIKE livein der Sputnik Kinobar, Foto: British Shorts

TRIKE livein der Sputnik Kinobar, Foto: British Shorts

Der bereits eingangs gewählte Begriff Atemlosigkeit ist aufgrund der Vielzahl der hier beschriebenen Filme, Genres und Eindrücke sicherlich nicht untertrieben. Glücklicherweise sorgten bei British Shorts diverse Auftritte von Musikern für die manchmal sehr benötigten Unterbrechungen und Atempausen. Schon bei der Eröffnung im HBC konnte das Festival mit einem italienischen Liveact aufwarten: Als Zwei-Personen-Performance präsentierte sich im Anschluss an das Screening die Band Schonwald, die – so viel steht fest – bei ihrer Stilfindung wohl recht häufig in die 80er Jahre/New Wave-Trickkiste gegriffen haben. Düster, introvertiert und das Gesicht hinter den Haaren versteckt, klingt das alles aus der Ferne schon ziemlich nach Joy Division und Co., sodass eine Coverversion von A Forest (The Cure) einen auch nicht wirklich in Erstaunen versetzt. Leider ist zu diesem Zeitpunkt nur noch eine spärliche Anzahl von andächtig wankenden Zuhörern vorhanden, aber das mag auch einem mittlerweile recht späten Donnerstag geschuldet sein. Etwas geselliger und auch gemütlicher fühlt sich stattdessen der Auftritt  von Use Your Fucking Headphones an, die sich am Freitag im Sputnik Kino zwar nicht unbedingt über eine größere Zuhörerschaft freuen können, sich dafür aber scheinbar echten Fans im zumeist sitzenden, weintrinkenden Publikum gegenübersehen.

Das alles verblasst aber zugegenermaßen hinter der extrovertierten und vielleicht auch ein bisschen verrückten Elektropop-Performance von Trike, die am Samstag im Sputnik zwischen 22 Uhr-Screening und Midnight-Movies mit ihrem Auftritt die Massen in Verzückung versetzen. Trotz extrem beengtem Platz auf einem Perserteppich, der hier mal als Bühne herhalten musste, überrascht die Band ihre Zuhörer immer wieder mit Kostümwechseln, Ballons und Seifenblasen, und als Frontmann Stephen Taylor seine Bandkollegin euphorisch durch die Luft wirbelt und stolpert, wird sogar das Bühnenequipment für einen kurzen Moment in Mitleidenschaft gezogen. Macht nichts, denkt sich das Publikum. Aufstehen und weiter geht’s! Das letzte Livekonzert liefert schließlich die Formation Berlin Pop Choir im Rahmen der Preisverleihung am Sonntag ab. Noch bevor die Zuschauer erfahren, dass „Baby“ gewonnen hat und der Filmemacher sich lieber durch eine vorgelesene Email an diesem Abend vertreten lässt, schallt einem die Chorversion von Britney Spears Toxic entgegen – etwas wackelig, aber immerhin, das Publikum ist dennoch wohlgesonnen.

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