„Berlin Mumblecore“ – Neues deutsches Independent-Kino aus Berlin

Eine neue Schule



Solchen Bewegungen einen Namen zu geben, hilft bei deren Vermarktung, führt aber auch zu Problemen. Erinnert sei an die „Berliner Schule“, die als Gegenbewegung zu deutschen Komödien der 1990er Jahre entstand, bei der Protagonisten wie Christian Petzold („Barbara„) und Angela Schanelec („Orly„) oder in einer Art zweiten Generation Benjamin Heisenberg („Der Räuber„) und Maren Ade („Alle Anderen„) den Alltag in ihr Kino einziehen lassen. Dafür feiern internationale Kinokritiker sie, während der Erfolg an der Kinokasse meist übersichtlicher ausfällt. Ein anderer Kniff ist das formulieren eines Manifests. Historische Beispiele sind etwa das „Dogme 95“ dänischer Regisseure wie Lars von Trier oder Thomas Vinterberg, in Deutschland das „Oberhausener Manifest“, das gerade seinen 50. Geburtstag feiert und mit dem damals Alexander Kluge, Edgar Reitz & Co. für eine andere Filmkultur eintraten.

Auch der Berlin Mumblecore verfügt über ein solches „Sehr Gutes Manifest“, dessen Regeln sich auf der Homepage von Sehr Gute Filme, der Produktionsfirma von „Dicke Mädchen“ finden. „Eine Anleitung, wie wir Filme machen wollen“, wie es Heiko Pinkowski, Hauptdarsteller von „Dicke Mädchen“ und ein Viertel von „Sehr Gute Filme“, beschreibt. Auch wenn dieses Manifest nicht bierernst gelesen werden sollte, in dem von den „Bio-Produkten der deutschen Filmlandschaft“ die Rede ist und weiter unten von Filmen, die „sich selbst nicht so wichtig nehmen“, gilt es dessen Kernthesen ernst zu nehmen. Gute Filme sind „unabhängig vom Budget“, heißt es dort und sie entstehen eben auch „ohne Bevormundung durch Redakteure & Co.“, die vielmehr Partner der Macher sein sollten und deren Fähigkeiten Vertrauen entgegen bringen sollten. So können lebensnahe, authentische Filme entstehen, die Publikum und Kritik verzaubern können, wie es „Dicke Mädchen“ gelingt. Oder wie Pinkowski sagt: „Die Essenz des Manifest lautet: Wir wollen der Intuition vertrauen.“

Während der amerikanische Mumblecore wohl als eine Fußnote in die Geschichte des Independentkinos eingehen wird, hat der Berlin Mumblecore vielleicht eine größere Kraft, da er dem deutschen Kino einen neuen, anderen und frischen Film bescheren könnte. Der Erfolg von „Dicke Mädchen“ zeigt erste Wirkung: Axel Ranisch übernimmt die Regie für ein „Kleines Fernsehspiel“, mit dieser Reihe fördert das ZDF talentierte Autoren. Eine gute Wahl.

Denis Demmerle

Das gesamte Manifest ist nachzulesen auf www.sehrgutefilme.de

1 2