Rückblick auf das 8. achtung berlin Festival

Berliner Lebensgefühl


Eine abgründige Reise in den brandenburgischer Wald: "Der Ausflug"

Eine abgründige Reise in den brandenburgischer Wald: "Der Ausflug"

Mit einem ganz anderen brandenburgischen Blick sticht ein Film aus dem Programm heraus: „Der Ausflug“ von Mathieu Seiler. In diesem Horrorfilm, der vorwiegend in einem Wald spielt, werden Gemütszustände, innere Konflikte während eines Familienausfluges überspielt, was sich in langer Weile der Figuren äußert. Das Strickmuster ist einfach, aber der Film ist dennoch hübsch anzusehen. Man bleibt gerne dabei und genießt die ästhetischen Bilder und Perspektiven von Kameramann Oliver Geissler und auch das schaurige Gefühl, das einen immer wieder überkommt. Das Ausharren-Müssen mit der Familie – ein Horror, dem jeder gelegentlich gerne entkommt.

Aber auch andere Filme, bei denen man dank eines guten Drehbuches und tiefer Figurenzeichnung, dicht an den Figuren bleibt und diese so eindringlich sind, dass sie lange nachhallen, vermitteln das Berliner Lebensgefühl und soziale Probleme gleichermaßen. Das ist zum Beispiel dem gekonnten Spiel der Protagonistin Charo (Mariangel Böhnke) in Weil ich schöner bin zu verdanken. Als Figur charakterlich willensstark und zugleich emotional ausgeprägt, hinterlässt sie einen nachhallenden Eindruck auch wegen ihrer ebenso überzeugenden Berliner Identität. Kaum zu glauben, dass sie – wie auch die meisten anderen Schauspieler des Films – Laie ist. Ebenso überzeugend, da sehr eindringlich, ist das Spiel von Ursina Lardi als Johanna in „Festung„, einem Familiendrama um häusliche Gewalt. Teeny-Tochter Johanna findet sich zunächst mit der Situation ab. Doch es kommt der Tag, an dem sie entschieden handeln und das Richtige tun muss. Sie schafft es, aus ihrer Festung auszubrechen und holt Hilfe für ihre schwer verletzte Mutter. Dieser Film war der Jury der Preis für die beste Regie wert.

Artisten“ ist ein Spielfilm über ein Theaterprojekt im Gefängnis. Die Teilnehmenden sind Insassen und Überlebenskünstler zu gleich. Das Drehbuch floss durch die Federn von sieben Autoren. Für acht Figuren mussten Backstories kreiert werden. Diese wurden jeweils nach wahren Begebenheiten entwickelt und teilweise abgewandelt. Das Besondere ist, dass es der Abschlussfilm der Studierenden für Schauspiel an der HFF Konrad Wolff für Schauspiel war. Der Regisseur (Florian Gottschick) befindet sich noch im Studium. Dramaturgisch ist der Film gut gearbeitet, da keine Figur zu kurz kommt oder unplausibel erscheint. Besonders interessant ist, dass die Frage nach Schuld und Verbrechen neu gestellt wird, wenn Beamte sich ignorant und unmoralisch gegenüber den Häftlingen verhalten.

Mit fließenden Genre-Grenzen wartet auch der wohl facettenreichste Doku-Kunst-Spielfilm des Festivals auf: „Dougs Deutschland. Liebeslieder für Untermenschen“ handelt von dem kürzlich verstorbenen Künstler Doug Blankenship und spielt zwischen Collorado (USA) und Berlin-Kreuzberg. Hier fließen die Geschichten des Künstlers und die des Regisseurs zusammen. In einer Hörspielästhetik, immer wieder kommentiert eine etwas förmliche Sprecherin das Geschehen – irritiert dieser Film mit seinen vielen Ebenen, gerade wenn er mit psychologischen Mustern und Klischees spielt. Diese Low Budget-Produktion ist auf ihre Art außergewöhnlich und ein parodistisches Kunstwerk, das gleichwohl anstrengend und erlebbar ist -hautnah.

Katrin Rösler

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