Rückblick auf das 18. Jüdische Filmfestival Berlin & Potsdam

Gelebte Leben zwischen gestern und heute


"Taliyadate.com": Taliya Finkel ist im Internet auf der Suche nach einer neuen Beziehung.

"Taliyadate.com": Taliya Finkel ist im Internet auf der Suche nach einer neuen Beziehung.

Trotz des EM-Spiels Deutschland gegen Dänemark konnte sich auch am letzten Festivaltag das Eiszeit-Kino vor Besuchern kaum retten. Hier wurde der Dokumentarfilm „Jalda und Anna – Erste Generation danach“ von Katinka Zeuner und Benjamin Laser gezeigt. Die Regisseure porträtieren ein lesbisches Frauenpaar, das seine jüdische Identität individuell lebt. Zeuner und Laser begleiten die beiden Frauen in ihrem Alltag, beim Renovieren einer Wohnung und bei ihren Reise durch Deutschland und nach Israel. Der Lebensentwurf von Jalda und Anna wird im Film als jüdisch-individuell und selbstbestimmt gezeigt, jedoch ein entscheidender Teil in den Hintergrund gerückt – nämlich dass es sich um eine gleichgeschlechtliche Liebesbeziehung handelt. Zeuner und Laser haben die beiden zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet und um so erstaunlicher ist es, dass ihr Film die emotionale Nähe der beiden Frauen nicht einzufangen weiß. Es steht die Zweckmäßigkeit der Beziehung im Vordergrund. Dass die lesbische Identität hier nicht weiter beachtet wird, verfehlt unter dem Aspekt, einen Lebensentwurf zeigen zu wollen, seinen Zweck. Auch werden die Auswirkungen der Shoah zwar auf psychischer Ebene thematisiert, die zwischenmenschliche Auseinandersetzung zwischen Anna und ihrer Mutter beispielsweise wird aber nur kurz und unabhängig von geschichtlichen Ereignissen angerissen.

Über Jaldas Vorgängergeneration erfährt der Zuschauer so gut wie nichts. Der Begriff der „ersten Generation danach“ wird bewusst von dem der „zweiten Generation“ differenziert. Denn diese Generation definiert sich darüber, inwieweit sie sich selbst mit der Shoah konfrontiert sieht. Regisseurin Katinka Zeuner folgt nur unentschlossen einer Gesamtaussage. Das spiegelt auch die Dramaturgie des Filmes mit zu langen Schnitten und der Darstellung der jeweiligen Protagonistin wider. Sehr bedauerlich ist, dass viele Fragen offen bleiben: Woher stammen beide Frauen? Welche familiären Leben liegen hinter ihnen? Wie sind sie zueinander gekommen? Wie groß ist der Altersunterschied zwischen den Frauen? Nichts davon wird offengelegt. Den größten Unterhaltungswert hat der liebevoll jüdisch gestaltete VW-Bus, mit denen die Frauen durch die Städte touren.

In ihrer autobiographischen Dokumentation „Taliya.date.com“ begibt sich die israelische Regisseurin Taliya Finkel auf die virtuelle Suche nach einer neuen Beziehung. Um endlich einen passenden Partner zu finden, datet sich die Protagonistin und Filmemacherin über das Internet. Diese Treffen, die manchmal schon mit der Begrüßung enden, hinterlassen Spuren, die verarbeitet werden wollen. Und so beginnt sie, all diese zu dokumentieren. Und zwar über eine lange Zeit: Fünf Jahre soll es dauern, bis sie nach 40 Dates auf einen passablen Partner trifft. Doch nicht nur die Partnersuche ist Thema des Films, sondern auch ihre persönliche Entwicklung: von der eher schüchternen, finsteren und jungen Frau hin zu einer selbstbewussten, offenen von Anfang Dreißig. Sie erzählt ihre Geschichte ungeschönt und humorvoll zugleich. Verwundert darf man sein, wie universell dieser Film ist.

„Mehr Juden ins Kino“ lautete das provokante Motto des diesjährigen Jüdischen Filmfestivals. Und das Berliner Publikum ließ sich gern provozieren und bescherte dem Festival überfüllte Säle. Für das nächste Jahr wäre demzufolge eine örtliche oder zeitliche Expansion wünschenswert. Dann sollte es „Mehr Kinoplätze für Juden und Nicht-Juden“ geben. Danke!

Katrin Rösler

Weitere Filmrezensionen des 18. Jüdischen Filmfestivals Berlin & Potsdam:

Die Wohnung“ von Arno Goldfinger

Ameer got his gun“ von Naomi Levari

Footnote“ von Joseph Cedar

Oma & Bella“ von Alexa Karolinski

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