Rückblick auf das 7. XPOSED International Queer Filmfestival

Festivalbericht 2012: Filme mit Drei-Tage-Bart


"Not Quit The Taliban": Wie wird reagiert, wenn man seine sexuelle Orientierung den modernen Zeitgenossen offen darlegt?

"Not Quit The Taliban": Wie wird reagiert, wenn man seine sexuelle Orientierung den modernen Zeitgenossen offen darlegt?

Was erwartet man eigentlich von einem queeren Filmfestival? Etwas Überraschendes, Provozierendes, Schockierendes? Oder doch etwas Kritisches, Berührendes, Aufrüttelndes? Egal was für Erwartungshaltungen die Gäste des 7. XPOSED International Queer Filmfestival mitbrachten, die Macher hinter den Kulissen hatten mit einer Auswahl von knapp 30 Filmen, zwei Locations, einer Welcome-Party, Preisverleihung und Abschluss-Tombola so ziemlich an alles gedacht.

Leider hatte am Eröffnungstag offenbar keiner daran gedacht, die Tür zum Schwuz für die Filmvorführung rechtzeitig aufzuschließen, weshalb sich mit fortschreitender Zeit immer mehr Festivalgäste artig wartend im Café Melitta Sundström stapelten, bis schließlich die Hintertür in den Keller und gleichzeitigen Clubraum geöffnet wurde. Dort offenbarten sich dann ein verwinkeltes, in pinkes Neonlicht getauchtes Gewölbe, in dem sicherlich schon legendäre Parties gefeiert wurden, freie Platzwahl auf knallig-bunten Plastikstühlen und die Erkenntnis, dass man für ein Erfrischungsgetränk seiner Wahl den ganzen Weg durch dieses Labyrinth bis zur Bar im Vorraum zurücklaufen muss. Mit einem Glas Wein und dem Programmheft bewaffnet geht es dann nach einiger Verzögerung endlich los, als die drei Hauptverantwortlichen Nicole Stecker, Michael Stütz und der mit hochgesteckter schwarzer Mähne und noch schwärzerem Eyeliner wie ein Gothic-Paradiesvogel anmutende Bart Sammut die Bühne betreten und ihre Gäste willkommen heißen.

Kaum hat Bart die Bühne verlassen, ist er auch schon wieder da. Als schwuler Serienkiller versetzt er in dem Trailer zu „Nancy Pansy Hairy Mary Killers“ Medien und Gesellschaft in Angst und Schrecken, doch bevor es so weit kommt, bedarf es noch einiger finanzieller Mittel via Fundraising. Das hat man spätestens dann kapiert, wenn man besagten Trailer binnen der nächsten zwei Tage noch sechs weitere Male vor jedem Screening begutachten darf. Beim anschließenden Eröffnungsfilmblock gab es leider nicht so viel zu sehen, nicht etwa weil die einzelnen Beiträge schlecht oder belanglos gewesen wären, hier waren die eingeschränkten Sichtverhältnisse – wie so oft bei Filmvorführungen an dafür eher ungeeigneten Orten – zum Bedauern von Organisatoren und Zuschauern gleichermaßen das eigentliche Problem. Anstelle der Untertitel, deren Mitlesen bei Nahost-Beiträgen zwingend notwendig gewesen wäre, sah man vorrangig ein Meer aus lustig hin-und herwackelnden Köpfen mit dem verzweifelten Wunsch, ein paar Textzeilen erhaschen zu können. Wer erfolgreich eine Position gefunden hatte, die einigermaßen den Blick auf die Leinwand freigab, konnte sich hier schon einmal an dem Beitrag „Through the Window“ von Chen Shumowitz erfreuen, der zwei Tage später den Preis für den besten Nahost-Short davontragen sollte.

Im Film hält Yoni ihre lesbische Liebe zu Shira vor ihrer Familie geheim, doch ein von der Mutter beobachteter Abschiedskuss wirft plötzlich Fragen nach einer gemeinsamen Zukunft und der Akzeptanz durch die eigene Familie auf. Hier gibt es keine schnellen Schnitte und keine dramatische Musik, kein aggressives Ausfechten von Konflikten und keine Vorwürfe. Yonis Mutter ist die Überforderung beim Anblick ihrer lesbischen Tochter ins Gesicht geschrieben und so hält sie sich an das, was sie am besten kann: Abendessen kochen. Als Mutter und Tochter sich am Esstisch wiederfinden, macht sich das Schweigen breit. Ein Hauch von beiderseitigem Verständnis und Zuversicht auf ihren Gesichtern zeigt jedoch, dass es Hoffnung gibt. Ohne jegliche Aussicht auf Hoffnung kam dagegen der Beitrag „As They Say“ von Hicham Ayouch daher, der dem gezeigten Campingurlaub von Vater und Sohn einen schockierendes Ende verlieh, denn nachdem die beiden einzigen und essenziellen Sätze „Papa, ich bin schwul“ und „Mein Sohn, ich liebe dich“ ausgetauscht wurden, ertränkt der Vater seinen eigenen Sprössling im Bach. Zu übertrieben und pathetisch? Wohl kaum, wenn in dem zwei Tage später folgenden Dokumentarfilm „Be like Others“ ein transsexueller Teenager behauptet, der eigene Vater habe ihm nach seinem Comingout Rattengift in den Tee gemischt, doch dazu mehr an späterer Stelle.

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