Das 9. Filmfest Eberswalde lockt vor die Türen Berlins

Von singenden Berglern und US-Wüsten


Filmfest Eberswalde: Szene aus Bombay Beach.

Filmfest Eberswalde: Szene aus Bombay Beach.

Wie oft haben wir uns im Sommer vorgenommen, endlich diese Reise ins Berliner Umland anzutreten – und wie oft haben wir die Pläne kurzerhand verworfen? Eine gute Möglichkeit, sein Selbstbild wieder auf angemessenes Feel-Good-Maß zu schrauben, bietet sich kommendes Wochenende. Vom 6. bis 13. Oktober nämlich, wenn die 9. Provinziale im schönen Eberswalde sein pralles Festivalprogramm vom Papier auf die Leinwand überträgt. Also: Zugticket kaufen, tief einatmen, Stadt mitsamt Drängeleien hinter sich lassen.

Es empfiehlt sich, gleich den ersten Tag der Provinziale mitzunehmen, denn der Eröffnungsfilm „Die Wiesenberger“ (Bernard Weber & Martin Schilt, Schweiz 2011) entführt in die ländliche Schweiz. Dort gilt es „singende Bergler“ zu erleben, die sich einmal pro Woche in einer Kapelle zusammenfinden, um gemeinsam für Hochzeiten und Geburtstage zu proben. Pendeleien zwischen Tradition, Hitparade und einem überraschenden Angebot aus Fernost. „Die Wiesenberger“ tritt mit sieben weiteren Dokumentarfilmen im Internationalen Wettbewerb des Filmfest Eberswalde an. Der bereits auf dem Berlin Documentary Forum II gezeigte Fluchtbericht „Fremd“ (Miriam Faßbender, Deutschland 2012) ist da schon schwerere Kost. Einen nicht ganz einfachen Blick auf die deutsche Gesetzgebung wagt indessen Regisseurin Susanne Schulz mit „White Box“ (Deutschland, 2010), der auf die durchaus prekäre Situation Arbeitslosengeld/Quadratmeterzahl aufmerksam macht. Während „Schnee“ (August Pflugfelder, Deutschland 2012) in alpine Höhen aufsteigt, um gerade diesen in nur unzureichenden Mengen vorzufinden.

Gleich zwei Filme beschäftigen sich mit US-amerikanischen Wüstengebieten und ihren Bewohnern: „Bombay Beach“ (Alma Har’el, Deutschland 2011, Premiere bei der Berlinale Generation) und „Darwin“ (Nick Brandestini, Österreich 2011). Beide gehen der Frage nach, ob „die zurückgelassenen Gemeinschaften zusammenbrechen? Oder bauen sie neue Strukturen auf, obwohl sie völlig marginalisiert sind?“, wie der neue Festivalleiter Kenneth Andres im Interview das gemeinsame Interesse der Filmemacher zuspitzte.

Wahre Entdeckungen verspricht der zweite Part des Internationalen Wettbewerbs „Kurzspielfilm & Animation“. In insgesamt sieben verschiedenen Blöcken ist nicht nur der ein oder andere prominente Schauspieler zu besichtigen (Jörg Schüttauf in „Unter Null„, Ursula Werner in „Nagel zum Sarg“ und Liebling Gerard Depardieu in „Grenouille d’Hiver„) – zu hoher Wahrscheinlichkeit stolpert der cinephile Zuschauer auch über das Debüt einer zukünftigen Regiehoffnung.

Außerhalb der beiden großen Kategorien liefert das „spezielle Programm“ reichliche Optionen für den Eberswalde-Abstecher. Besonders hervorgehoben sei der Nachwuchsfilmwettbewerb am 7. Oktober, ebenso wie das Kinderfilmprogramm am Abschlusstag, den 13. Oktober. Der Festival Club als Zentrum für Konzerte, Lesungen und Performances wird dieses Jahr um das Panel Kultur/Provinz/Entwicklung erweitert, Austragungstag ist Freitag, 12. Oktober. Tschüss, Berlin.

Carolin Weidner

Das 9. Filmfest Eberswalde – Die Provinziale
von 6. bis 13. Oktober 2012
im Paul-Wunderlich-Haus