Rückblick auf das 1. Israel Filmfestival Berlin

Einblick in die Widersprüche


"Poisened": Regisseur Daniel Sivan begleitete drei Jahre lang vier Jugendliche durch ihre Militärzeit.

"Poisened": Regisseur Daniel Sivan begleitete drei Jahre lang vier Jugendliche durch ihre Militärzeit.

Lebhafte Diskussionen vor dem Moviemento, in den Gängen und auf den Treppen zeichneten das erste Israel Filmfestival aus. Die Besucher, die trotz des goldenen Herbstwetters auch tagsüber im Kino saßen, wurde mit direktem Kontakt zu den vielen eingeladenen Filmschaffenden belohnt. Das ausschlaggebende Kriterium für die Auswahl der Arbeiten, so Festivalleiter Michael Höfner, war der persönliche Bezug zum Film.  Höfner und Jürgen Brüning, der Ko-Organisator, sind glücklicherweise nicht nur Filmkenner, sondern auch bekannt für ihren Mut, Ungewöhnliches und Kritisches zu zeigen. Die Auswahl konnte sich also sehen lassen.

Interessant beispielsweise war das Format „Israel Doc Challenge Initiative“. Filmemacher hatten fünf Tage Zeit, einen Dokumentarfilm zu realisieren. Das Thema der diesjährigen Challenge hieß „Forgein Objects“. Am ersten Drehtag erhielten die zwölf ausgewählten Teams per Los zusätzlich das Genre (Sport, Politik, Experimentelles), in dem sie den Film drehen sollten. Herausgekommen sind sehenswerte Kurzfilme, so u.a. ein Film über einen 90jährigen Schwimmer, der an einer Olympiade im Altersheim teilnehmen möchte und dafür jeden Morgen trainiert. Ansprechend auch der Film über einen ‚Cyborg‘. Der Hauptdarsteller ist aufgrund eines Kriegstraumas inkontinent und lebt nun mit einem kleiner Rechner, der ihm in den After implaniert wurde, um den Stuhlgang zu regeln.

Die Militärzeit ist der Initiationsritus, den alle Israelis durchleben müssen. Wenn sie sich dagegen entscheiden, dann gelten sie zeit ihres Lebens im besten Fall als Schwächlinge, oft sogar als Verräter. Wahrscheinlich weil das Militär eine so zentrale Rolle spielt, war es lange ein Tabu-Thema. Mittlerweile mehren sich die Filme, die sich kritisch mit verschiedenen Aspekten der Militärzeit auseinandersetzen, sei es dokumentarisch oder als Spielfilm. Herausragend in dem Zusammenhang der schon etwas ältere Spielfilm „Close to Home“ aus dem Jahr 2005 von Vidi Bilu und Dalia Hager. „Close to Home“ beleuchtet die Militärzeit israelischer Frauen und erzählt die Geschichte von Smadar und Mirit, zwei sehr unterschiedlichen Prsönlichkeiten. Mirit die Pflichtbewußte und Smadar, die Unangepasste. Beide müssen Streife gehen und die Papiere von palästinensisch und arabisch aussehenden Passanten in Jerusalem kontrollieren. Die Freundschaft, die sich zwischen ihnen entwickelt, basiert vor allem auf den gemeinsam durchlebten Traumata.

Sehr sehenswert auch der Dokumentarfilm „Poisened“ (2010) von Daniel Sivan, der vier Jugendliche drei Jahre lang während ihrer Militärzeit begleitete. Sowohl Daniel Sivan als auch Adam Maor, Komponist der Filmmusik, sind Militärdienstverweigerer. Während Daniel Sivan sich als ‚psychisch gestört‘ hat ausmustern lassen, saß Adam Maor für seine Verweigerung zwei Jahre im Gefängnis. Der Film begleitet den Alltag der vier 18jährigen. „Die Armee war begeistert, dass jemand einen Film über die als langweilig abgestempelten Einheiten – Infranterie und Artellerie – drehen will“, erklärte Daniel Sivan auf die Frage, wie er Zugang zu den Basislagern und Übungseinheiten bekommen hat. Der Film ist allerdings alles andere als Propaganda, er zeigt v.a. die Langeweile und wie das Militär die Freunschaft der vier Jungs formt – ein Querschitt durch die Gesellschaft.  Mit dem, was die Armee mit einem macht, beschäftigt sich auch der Kurzfilm „Dor“ (2009) von Ofir Raul Graizer. Auch Graizer ist Kriegsdienstverweigerer. Er lebt mittlerweile in Berlin. Nach einem mörderischen Zwischenfall zweifelt Dor immer mehr an der Armee, doch Ofir Raul Graizer erlaubt seinen Protagonisten keinen Ausweg.

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