5. KUKI im Filmtheater im Friedrichshain

"Kinofilme sind ein effektives Lernmittel"


„Die ockerroten Mädchen vom Kaokoveld" begleitet zwei Schwestern aus dem Volk der Himba auf ihrer ersten Reise in die große Stadt.

"Die ockerroten Mädchen vom Kaokoveld" begleitet zwei Schwestern aus dem Volk der Himba auf ihrer ersten Reise in die große Stadt.

Was machen holländische Filmemacher denn anders als die deutschen?
Es ist so, als ob die zielsicher den Finger in ein besonders schwieriges Thema legen und dann einen fantastischen Film daraus machen. Letztes Jahr haben wir den Film „I’m just a girl“ gezeigt, der von einem Mädchen handelt, das eigentlich als Junge geboren ist. Diesen Film wird keiner, der ihn gesehen hat, je wieder vergessen. Die zeigen Kindern-Themen, die einen schwierigen Hintergrund haben und die bisher immer mit einem mitleidigen Blick thematisiert wurden, der das Gefühl hinterlässt „Wie gut, dass ich so normal bin“. Aber die Niederländer lockern das auf, nehmen sich charismatische Protagonisten, die ein bestimmtes „Problem“ haben, aber gut damit klarkommen. Dieses Jahr zeigen wir zwei holländische Filme im Dokumentarfilmprogramm. Ein Film über einen Jungen, dessen Vater Jude und dessen Mutter Chinesin ist, und der mit zwölf Jahren seine Bar-Mizwa feiern will, aber nicht darf, weil seine Mutter keine Jüdin ist. Er geht einen komplizierten Weg. Der andere Film ist „Anne vliegt„, eine Doku über ein Mädchen mit Touret-Syndrom. Man muss weinen, lachen, man lernt so viel Neues. Und man denkt nach diesem Film nie wieder so über das Touret-Syndrom, wie man es vorher getan hat. Es ist das Interesse der niederländischen Filmemacher, Tabuthemen zu brechen und ein wirkliches Menschenverständnis aufzubauen. Herrlich. Ich kenne kein anderes Land, das so starke Dokumentarfilme für Kinder macht, wie Holland.

Aus Deutschland bekommen wir auch viele Einreichungen, da ist viel Gutes dabei, aber vieles ist zu kitschig, manchmal sogar etwas klamaukig, oft zu süß und die Themen wiederholen sich. Schwierig ist es immer noch, aus dem asiatischen Raum gute Kurzfilme für Kinder zu bekommen. Was wir mit Freude beobachten, ist, dass mehr und mehr spannendes Material aus dem arabischen und afrikanischen Raum kommt, das ist ein schönes Zeichen. Manche Filme sind noch ein bisschen zu schlecht von der Qualität und manchmal zu platt in der Aussage, weshalb wir sie dann nicht zeigen können, aber das Potential wird doch immer deutlicher.

Gibt es Tabuthemen bei Filmen für Kinder und Jugendliche?
Was bei einem Kinderfilm gar nicht geht, ist, wenn das Ende zu offen ist. Wenn es deprimierend und hoffnungslos ist. Die Machart des Filmes ist ganz entscheidend dafür, ob ein schwieriges Thema kindgerecht vermittelt wird, aber thematische Tabus sehe ich nicht. Das ist etwas, was ich in Deutschland sehr schätze: Man kann hier viel weitergehen, man traut den Kindern mehr zu. Ich komme aus Australien und im englischsprachigen Raum ist der Umgang mit Kinderfilmen ganz anders, viel vorsichtiger. Man hat Angst, verklagt zu werden und von Eltern für bestimmte Dinge verantwortlich gemacht zu werden. Wir müssen zu schätzen wissen, was wir in Deutschland zeigen können. Natürlich ist Skandinavien da noch einen Schritt weiter, da müssen wir hingucken. Aber es ist wunderbar, was in Deutschland bereits möglich ist.

Was ist dieses Jahr neu bei KUKI?
Wir feiern 100 Jahre russischen Animationsfilm mit einem eigenen Programm und einem Animationsworkshop für Kinder. Außerdem gibt es erstmals eine Retrospektive von „Kinder machen Kurzfilm“, ein Projekt, das in seiner Art einzigartig ist. In einem Schreibwettbewerb reichen die Berliner Schulen im Frühjahr Geschichten ein und nach der Auswahl starten Workshops und schließlich die Dreharbeiten, wo sich die Kinder für die unterschiedlichsten Tätigkeiten bei einer Filmproduktion anmelden können – von der Maske über Schauspiel bis hin zur Regie. Natürlich gibt es Unterstützung von Erwachsenen, aber die Kinder machen das Allermeiste selbst. In der Retrospektive zeigen wir vier Filme, die so in den letzten Jahren entstanden sind, und die zwei neuen Produktionen „Gewinner“ und „Rebellen„.
Umweltthemen haben wir schon immer gezeigt, ab diesem Jahr gibt es ein eigenes Programm dafür, um diesem Bereich mehr Raum zu geben. Dieses Jahr ist ein toller deutscher Beitrag dabei – „Borschemich (neu)“. Es geht um ein Dorf, das wegen Braunkohleabbaus umgesiedelt werden muss. Uns allen im Team war es gar nicht bewusst, dass deswegen immer noch ganze Dörfer in Deutschland umgesiedelt werden. Der Dokumentarfilm berührt einen sehr. Ich bin sehr gespannt, wie die Kinder das aufnehmen. Und wie die Eltern reagieren, denn nach diesem Film werden die Kinder ganz viel wissen und noch mehr darüber erfahren wollen, wie unser Strom gemacht wird. Das werden wir auch auf dem Festival thematisieren. Wir wollen die Kinder zum Nachdenken und Nachfragen motivieren.

Interview: Verena Manhart

KUKI – 5. Internationales Kinder & Jugend Kurzfilmfestival, 11. bis 18. November im Filmtheater am Friedrichshain und in der Passage Kino Neukölln, Programm unter www.interfilm.de/kuki2012

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