In-Edit 2012 im Rückblick

Die Grenzen der Vielfalt


"Who took the Bomp?": Drei junge Musikerinnen gegen das männlich dominierte Musikbusiness

"Who took the Bomp?": Drei junge Musikerinnen gegen das männlich dominierte Musikbusiness

Musik war noch nie nur bloße Schwingung eines Mediums in einem Resonanzraum. Musik, das war schon immer Kultur. Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist sie als kulturelles Gut noch viel mehr als das; sie ist und war Statement und Understatement, für oder gegen das Establishment, sie ist Kleidung, Stil, Subkultur und Refugium, sie ist Ausdruck von Liebe, Schmerz, Eskapismus oder Protest. Und weil Musik immer abhängig von Mensch, Raum, Zeit und Zeitgeist gehört wird, ist sie im Besonderen natürlich immer entweder atemberaubend schön oder grottenschlecht. In einer Stadt wie Berlin mit unzähligen Clubs, Konzerten, Labels und Szenen fällt dieser Umstand umso mehr auf und denkbar kräftezehrend muss es daher sein, ein Musikfilmfestival zu organisieren, das all den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden will. Allein das verdient schon reichlich Anerkennung. Sechs Tage hat das In-Edit seinen Zuschauern Filme über Rock, Pop, Hip Hop, Techno, Punk, Soul und etliche weitere Genres geboten, mit dem Resultat, dass man am Ende in jedem Fall einiges dazugelernt hat, gleichzeitig in seinen geschmacklichen Grundsätzen aber auch etwas durchgerüttelt wurde.

Davon fühlt man am Dienstagabend bei der Eröffnung im Festsaal Kreuzberg natürlich erst einmal noch nicht viel. Bevor es losgeht, fühlt man eigentlich nur die Kälte von den Füßen aufwärts kriechen, während man 30 Minuten bibbernd auf der Skalitzer Straße rumsteht und dort wegen organisatorischer Verzögerungen ausharren muss. Drinnen ist es dann zwar auch nicht viel wärmer, aber immerhin lässt sich schon Lokalprominenz wie eine Christiane Rösinger oder ein George Lindt sichten, der für den Auftakt des Festivals seinen Film „Wir werden immer weitergehen“ beigesteuert hat. Der Film portraitiert alternative Berliner und Hamburger Musikschaffende sowie Labelgründer und Plattenladenbesitzer aus dem engeren Dunstkreis im Jahre 2002 und zeigt die bekannten Gesichter von Bands und Künstlern wie Kante, Atari Teenage Riot, Tocotronic, Rocko Schamoni und auch Frau Rösinger. In diesem Business zu überleben, scheint hart und anstrengend, hängt wie so häufig die Karriere als Musiker leider auch an dem unumstößlichen Faktum, dass man damit gleichzeitig irgendwie seine Brötchen verdienen muss und dementsprechend dankbar ist, wenn die Fans einem über die Jahre die Treue halten.

Die von Lindt nachträglich drangebastelten Nachworte der Künstler aus dem Jahre 2012 berichten von Veränderung und Stagnation, aber in vielen Fällen auch einfach davon, dass man sich jetzt dem Eltern- und Familienglück verschrieben habe. George Lindt hat nach dem Film keine rechte Lust auf eine Diskussion mit dem Publikum, stattdessen will er lieber mit allen ausgelassen trinken und feiern, was man diesem Mann mit seiner latenten Trauerkloß-Attitüde nicht so recht abnehmen will. Aber vielleicht liegt die mangelnde Partybereitschaft des Publikums auch nur darin begründet, dass es Dienstag ist. Spult man ein paar Tage vor, wird die Feier-Euphorie im Babylon-Kino anlässlich der Weltpremiere von „Watergate X (Stathis Klotsikas) weitaus deutlicher zutage treten, angesichts eines ebenfalls Q&A-boykottierenden Regisseurs und eines Proleten-Schickeria-Publikums, das sich bereits vor Beginn dieses selbstheiligenden Promomachwerks unter die Sitze gesoffen hat.

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