Berlinale-Leiter Dieter Kosslick im Interview

Kosslick: "Digitale Technik ist sehr demokratisierend."


Kosslick: "Die USA hat merklich mehr Independent-Film zur Auswahl. Es lässt mich an die dänische Dogma-Bewegung der 90er Jahre denken..." Hier eine Szene aus "Prince Avalanche" mit Emile Hirsch und Paul Rudd.

Kosslick: "Die USA hat merklich mehr Independent-Film zur Auswahl. Es lässt mich an die dänische Dogma-Bewegung der 90er Jahre denken..." Hier eine Szene aus "Prince Avalanche" mit Emile Hirsch und Paul Rudd.

Das Kino aus Osteuropa scheint stärker als in den letzten Jahren vertreten. Unter anderem findet sich erstmals seit vielen Jahren ein polnischer Beitrag im Wettbewerb. Was wurde dort bisher verpasst bzw. in diesem Jahr besser gemacht?
Einer der Gründe für die wieder erstarkte osteuropäische Bewegung könnte die neue digitale Technik sein. Sie ist sehr demokratisierend – denn sie ermöglicht einer neuen Welle von Filmemachern ihre Filme mit wenig Mitteln in einer vergleichsweise kurzen Zeit in professioneller Art und Weise herzustellen. Auch neu geschaffene Strukturen und Gelder, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, unterstützen unabhängiges Kino. Doch vor allem hat sich eine ganze Film-Generation frei gemacht von der lastenden Schwere ehemaliger politischer Systeme. Das spürt man – in der Sektion Wettbewerb zeigen wir fünf Filme.

Das US-Kino und besonders das US-Indiekino scheinen in Berlin eine Heimat zu finden. Ihr Kollege Wieland Speck sagt: „Amerika hat sich von der dumpfen Bush-Zeit erholt. Die amerikanischen Indies sind stärker als in den letzten 15 Jahren.“ Wie sehen Sie das?
Neben soeben erwähnten osteuropäischen Produktionen hatten tatsächlich auch die USA merklich mehr Independent-Film zur Auswahl. Es lässt mich an die dänische Dogma-Bewegung der 90er Jahre denken – Länder haben nun einmal ab und an bestimmte konzentrierte Themen-Strömungen. Auch Krisensituationen können sehr fruchtbar sein für Künstler – wie die unsichere Finanzsituation, die selbst in den USA zu spüren war. Durch ihre oft schnelle, humorvolle und kecke Art sind Indies außerdem häufig sehr festivalaffin – wie frühere Autorenfilme.

Hohe Qualität bietet nicht nur das Kino sondern auch immer häufiger das Fernsehen. Zahlreiche Fans wenden sich aufwendig produzierten Serien wie „The Wire“ und „Mad Men“ in den USA oder auch Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ zu. Sie zeigen mit „Top of the Lake“ (von Jane Champion & Garth Davis) eine internationale TV-Mini-Serie als Berlinale Special. Was zeichnet diese neuen Serien aus? Gefährden diese Serien das Kino?
Ich denke, dass durch sie der audiovisuelle Bereich eher bereichert wird. Kinoregisseure und Kinoschauspieler bedienen sich mehr und mehr dieses Formats, da man über mehrere Folgen erzählen kann. Die hohe Qualität spricht für sich. Letztes Jahr haben wir zudem bereits die TV-Qualitätsserie „Death Row“ von Werner Herzog gezeigt und einige Jahre zuvor lief bereits die TV-Serie von Dominik Graf. Wir freuen uns sehr darauf, Jane Champions erste TV Produktion bei uns im Special Programm zu präsentieren.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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