landmade 2013

Kultur – Teil der ländlichen Grundversorgung?


Filmszene: "Was für Kultur braucht das Dorf? - Ein Filmteam von Kulturarbeits-Studenten der FH Potsdam befragte Bewohner des Festivaldorfs Strodehne. Foto: landmade

"Was für Kultur braucht das Dorf?" - Ein Filmteam von Kulturarbeits-Studenten der FH Potsdam befragte Bewohner des Festivaldorfs Strodehne. Foto: landmade

Leider ist es momentan mitnichten so, dass Kultur von Grund auf versorgt ist – finanziell gesehen. Zwar ist sie eine Selbstverständlichkeit im urbanen Raum – und es mangelt wohl kaum an Kreativkräften -, doch auch in unseren Metropolen herrscht ein kulturell schleichendes Dahinsiechen. Wer keine ‚Drittmittel‘ akquiriert, kann Produktionen nicht kommerzialisieren oder erst gar nicht produzieren, verwirklichen und in Taten umsetzen. Im ländlichen Raum zeigt sich das noch deutlicher, qua geringer Menschenaufkommen wird der Provinz ohnehin meist wenig zugetraut und zugeschrieben. Demographischer Wandel, Überalterung, Versorgungslücken – die stets gleichen, irgendwie negativ klingenden Schlagwörter der Soziologie sind im Medienmainstream und im Bewusstsein der Republik angekommen.

Gut – dem steht gegenüber, dass das ‚Stadtrand-Landleben‘ hipp ist. Die Magazine sprießen wie Pilze aus dem guten alten Mutterboden, die sich mit dem Landleben befassen, Hobby-Bauern suchen Kultur in Fernsehformaten und die Bodenpreise steigen wieder. Die Stadtflüchtlinge und deren Bohei erinnert an die Renaissance der Bewegungen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, als Städter ihr Heil, entgegen den Widrigkeiten der Industrialisierung, im besseren Leben auf dem Land suchten. Wandervogel ick hör dir flattern! Doch wie ist es – janz weit draußen – in der Mark, wo man nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sondern auch die Wölfe jaulen hören kann? Wo der nächste Bahnhof mit zweistündlicher Berlinanbindung zwölf Kilometer Luftlinie entfernt ist?

Wie ist es auf dem wahren Land um die allgemeine (wie spezielle) kulturelle Grundversorgung bestellt? Dieser Frage wird am kommenden Wochenende (10. bis 11. August) beim interdisziplinären Kulturfestival landmade nachgegangen. Im Haveldorf Strodehne wird durch Performances, Ausstellungen, Filme und Podiumsdiskussionen Gegenwartskunst in den Kontext ländlichen Lebens gesetzt. Welche Potenziale und Chancen hatte, hat und kann der ländliche Raum haben? Welche gesellschaftliche Rolle spielt er und wie wichtig ist dabei die kulturelle Grundversorgung mit und durch zeitgenössischer Kunst? Bei der nunmehr fünften Auflage des seit 2005 alle zwei Jahre stattfindenden Festivals steht dazu der ländliche Raum und dessen Affinität zur Kunst im Fokus. Dazu gehören neben den genannten Kunststilen auch Filme: etwa vom Langzeitdokuvater der Golzower Kinder Winfried Junge „Das Pflugwesen – es entwickelt sich“ (DDR 1986/87). Ein kurioser Dokumentarfilm über eine internationale Meisterschaft im Ackerpflügen. Oder auch ostalgische Streifen wie „Danksagung“ von Emil Jurkowski (Amateurfilmstudio Linum, DDR 1988) sind für Cineasten auf die Rolle gespult worden! Ob nun Jurkowskis Streifen im langen Schatten eines Bitterfelder Wegs steht, oder aber einfach nur grandioses Beispiel für Filmkunst eines Bauern ist, kann am Samstag bewertet werden. Neben diesen älteren Zeitdokumenten sind natürlich auch Werke jüngeren Datums zu sehen.

Wie der Havelländer seinen Kulturbedarf deckt, klärt die im Juni frisch abgedrehte Doku „Was für Kultur braucht das Dorf?„.  Ein kleines Filmteam der FH Potsdam um Susanne Fischer und Christian Leonhardt (Kamera) haben Strodehner nach deren Vorstellungen von – Kultur und Kunst im Dorf – interviewt. Neben Kino erfreuen zwei Tage Hochkultur im Havelland! Wenn es dem Berliner ob der schwierigen Bahnanbindung jetzt schon graut und wer kein Automobil besitzt, der paddelt einfach auf der schönen Havel ab Berlin gen Mündung zum Festivalort direkt nach Strodehne! Schiff ahoi!

Sven Brülke

landmade 2013 10. bis 11. August, Strodehne, Programm und Infos unter www.filmtage-havelland.de