Zurückgespult #5: Schickt die Kunst in die Wüste

Fördern und Fordern


Dass sich Unternehmen, die künstlerische Arbeit in Anspruch nehmen, gegen die Förderung von Künstlern, deren Produkten und wirtschaftlichem Überleben wehren, oder besser gesagt: sich einfach nicht für die wirtschaftliche Absicherung ihrer „Lieferanten“ verantwortlich sehen, wird auch in dem aktuellen Streit um die Künstlersozialkasse deutlich: Hier weigern sich Betriebe, die Leistungen von Fotografen, Filmschaffenden, Schauspielern, Musikern und allem, was sich sonst noch so unter dem Begriff „Kulturschaffender“ subsumieren lässt, ihren Teil der Abgaben an die KSK zu leisten.

Verantwortlich für Eintreibung dieses Zinsgroschens ist eigentlich die Deutsche Rentenversicherung. Die soll vom kleinen Start-up bis hin zu großen Unternehmen dafür sorgen, dass jeder seinen Teil an die KSK zahlt, mit der Freiberufler ihre Kranken- und Rentenversicherung bezahlen. Das Problem ist leider: Die Deutsche Rentenversicherung kontrolliert nicht. Warum, das kann sich unter einer – noch – schwarz-gelben Regierung jeder selbst erklären. Offizielle Erklärung: Zuviel Aufwand. Und überhaupt, innerhalb der vorgeschlagenen vier Jahre könne man nicht alle betroffenen Unternehmen prüfen, es würde sich – für wen nochmal? – auch sowieso nicht lohnen. Der Deutsche Tonkünstlerverband hat jedenfalls eine Petition mit 70.000 Unterschriften beim Bundestag eingereicht.

Während hierzulande der Streit ums Fördern und Fordern munter nach Karlsruhe und Berlin verlagert wird, pilgern 20.000 arbeitslose Spanier in vier kleine Dörfchen, um an einem Sklaven-Casting teilzunehmen. Regisseur Ridley Scott dreht da nämlich den Film „Exodus“ mit Christan Bale in der Rolle des Moses, der die Israeliten durch die Wüste aus der ägyptischen Sklaverei führt. Dafür suchte er extra ausgemerkelte und vom Leben gezeichnete Statisten – kein Problem für viele der Bewerber, die von der spanischen Wirtschaftskrise gezeichnet auf die 80 Euro pro Tag hofften. Es kam zu chaotischen Zuständen beim Vorsprechen, Menschen dehydrierten, während sie neun Stunden lang in der Sonne auf ihren Einsatz warteten. Die Direktorin der andalusischen Filmförderungskommission, Piluca Querol, reibt sich derweilen die Hände: Der „Scott-Effekt“ würde der ganzen Region ungeahnten Aufschwung geben.

Ich warte noch, bis ich das ganze Wirrwarr um Fördertöpfe und Zuständigkeitsgerangel gar nicht mehr verstehe. Dann verkleide ich mich als Ridley Scott und bitte Christian Bale, seine komplette Gage an mich zu spenden. Somit falle ich dann weder der KSK noch der Deutschen Rentenversicherung mehr zur Last und kann in Ruhe Arthouse-Filme drehen – die ich dann in meinem eigenen Programmkino zeigen werde.

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