Filme durch die Möse betrachtet: Der PorYes-Award 2013


Veranstalter und Gewinner auf der Bühne vereint. Foto: Alina Impe

Veranstalter und Gewinner auf der Bühne vereint. Foto: Alina Impe

Irgendwie ironisch, dass dieser Clip bei einer aufklärenden Gesundheitskampagne zum Einsatz kam. Weniger ironisch dagegen Méritts Schlussworte, bevor es an die Award-Übergabe geht: „Um mal mit einem Vorurteil aufzuräumen: Intelligent fickt gut!“ Eine andere Wahrheit, die sich applaudierender Zustimmung erfreut. Den ersten Award trägt Shu Lea Cheang davon, selbsternannte Cybernomadin, die ihre Protagonistinnen als futuristische Sexroboter durch einen Strom der „fluiden Lust“ schickt, das Ganze natürlich aus der Pussyperspektive erzählt. Ihr prämierter Film „I.K.U.“ heißt auf Japanisch Orgasmus, mit dem feinen Unterschied, dass das, was wir als „Kommen“ bezeichnen, am anderen Ende der Welt als „Gehen“ verstanden wird. Wieder was gelernt. Auf den Fuß folgt die Ehrung von Cléo Übelmann, die sich für den ersten lesbischen SM-Bondage-Film („Mano Destra„) überhaupt verantwortlich zeichnet. Da geht es um eine Domina und eine „erotische Ausdruckskraft“, die scheinbar so überwältigend sein muss, dass sich die Laudatorin Claudia Gehrke – Verlegerin bei Konkursbuch – in einer episch breiten intellektuellen Auseinandersetzung verliert. Selbst die tapfere Übersetzerin, die an diesem Abend ein Meer aus Gender-Fachtermini ins Englische transferieren muss, kann da nicht mehr folgen.

Da Gehrkes nicht enden wollende Huldigung sowieso schon ein innerliches Stöhnen verursachte, schließt sich der darauffolgende Auftritt des ersten Berliner Stöhnchors natürlich perfekt an. Aber die zwei Frauen, die da enthusiastisch die Bühne betreten, machen noch keinen Chor. Oh oh, was kommt denn jetzt? „IHR seid der Chor!“, heißt es plötzlich. Wirklich? Ja, wirklich: Alles grunzt und schreit und stöhnt begeistert durcheinander, besonders gelungene „Oooooooohs“ und „Aaaaaaaaahs“ fangen die beiden Performerinnen mit dem Mikro ein. Wer die Augen schließt, glaubt sich in einer Massenorgie wiederzufinden.

Aber Gott sei Dank müssen ja noch ein paar Preise verliehen werden. Zum Beispiel an Monika Treut, die in Sachen Sexpositivismus „immer die Möse vorn“ hatte und als eine der Wenigen verstanden hat, wie man feministische Filmtheorie praktisch umsetzt. Wer mal Laura Mulvey gelesen hat, kann sich vorstellen, wie schwierig das ist. Ein weiterer Preis geht außerdem an Joseph Kramer, der mit Workshop-artigen Aufklärungsvideos wie „Uranus: Self Anal Massage for Men“ einen weiteren Meilenstein in der sexpositiven Pornokultur geschaffen hat. Neben Prostatastimulation und dem Hinweis, dass auch ein schlaffes Glied gern massiert wird, geht es Kramer aber vor allem um eines: Das Erinnern an unsere sexuelle Körperlichkeit. Recht hat er, denn in Zeiten der digital vernetzten Autoerotik kann man das schon mal schnell vergessen.

Nachdem ein weiterer Preis an die feministische Nachwuchspornografin Lola Clavo vergeben wurde und das Muschiballett mit seinen Schamhaartoupets etwas asynchron über die Bühne gewedelt ist, gibt es noch einen Überraschungspreis: Ula Stöckl, wie bereits erwähnt Schirmherrin des Abends, wird gesondert mit einer gläsernen Muschel ausgezeichnet. Stöckl kämpft mit den Tränen, während das Publikum mit der bereits übervollen Blase kämpft. Knappe drei Stunden hat diese Preisverleihung gedauert, in der neben befreiten Vaginen und entfesselten Frauen vor allem eines gefeiert wurde: Der lustvolle Bruch mit den Normen, aber auch die freie Wahl der sexuellen Präferenzen. „Viva la Vulva!“, ruft Laura Méritt zum Abschied. Viva la Entscheidungsfreiheit.

Alina Impe

1 2