Zurückgespult #8: Emmy für Anke Schäferkordt

Anke wer?



Man braucht viel Leidenschaft, um gutes Fernsehen zu machen. Die Mitarbeiter von RTL haben diese Leidenschaft, und deshalb stehe ich hier nur stellvertretend für Tausende.„, sagte Anke Schäferkordt in ihrer Dankesrede. Langsam wird mir etwas mulmig: Habe ich da etwa einen Trend verpasst? Gibt es so etwas wie eine RTL-Fangemeinde, die ihre Kreise bereits bis nach New York City ausgeweitet hat? Ich stelle mir Partygäste auf einer coolen Warehouse-Party in Brooklyn vor, die über die „faulste Sau von Bauer sucht Frau“ (Zitat aus der BILD vom 27.11.2013) diskutieren, ähnlich, wie es hierzulande zum guten Ton gehört, als erste Amtshandlung bei einem gemeinsamen Essen mit Freunden die letzte Folge von „Breaking Bad“ auseinander zunehmen und darüber zu spekulieren, ob Jesse nun unbeschadet fliehen konnte oder an der nächsten Ecke von den Cops eingesackt wurde. Senderlogos wie AMC oder HBO sind mittlerweile in das kollektive Film- und Fernsehgedächtnis aufgenommen worden, gleich neben dem Löwen von Metro-Goldwyn-Meyer oder dem Berg von Paramount.

Doch schaut man sich das Zitat der Jury noch einmal genauer an, geht es eher um Geschäftliches als um Inhalte. Dass RTL ein Global Player ist, war bekannt. „Die Mediengruppe RTL Deutschland ist eines der führenden Medienunternehmen in Deutschland und das erfolgreichste Profit Centre der RTL Group. Zu den Aktivitäten gehören sechs Free-TV-Sender sowie die dazugehörigen Video-on-Demand-Angebote und Sender-Websites ebenso wie drei digitale Paykanäle„, berichtet beispielsweise presseportal.de. Ach so. Die Besonderheit, anspruchsvolle Formate zu entwickeln und dabei auch noch kommerziell erfolgreich zu sein – ein Narr, der denkt, diesen Spagat könnte ausgerechnet RTL, ja überhaupt ein deutscher Sender schaffen.

Für den besten Film wurde dann übrigens das „Wunder von Kärnten“ aus dem Jahr 2011 mit Ken Duken in der Rolle des Superarztes ausgezeichnet. Was genau war das da für eine Veranstaltung am Montag in New York? Wo bleiben die durchaus gelungenen TV-Beiträge diesen Jahres, wie etwa der nicht ganz unumstrittene Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ oder die durchweg exzellenten Folgen von „Polizeiruf 110“ mit wirklich leidenschaftlichen TV-Stars wie Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau, Matthias Brandt oder Sylvester Groth? Heino Ferch jedenfalls ging bei der International Emmy-Verleihung 2013 leer aus. Er war für seine Rolle in „Spuren des Bösen – Racheengel“ als bester Hauptdarsteller nominiert. In diesem Punkt kann ich die Entscheidungen der Jury jedenfalls nachvollziehen. Und auf der nächsten Party frage ich mal, wer Anke Schäferkordt kennt.

Cosima M. Grohmann

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Was bewegt, über welche Projekte spricht die Filmbranche und wo wird gerade wieder einmal unter Protest ein traditionelles Programmkino geschlossen – oder sogar eröffnet? In ihrer Kolumne Zurückgespult blickt Autorin Cosima M. Grohmann einmal im Monat zurück und schaut auf das, was passiert ist, vor und hinter den Leinwänden.
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