Transmediale 2014 im Haus der Kulturen der Welt

Diagnose: Postdigitalität


"Utopia" ist eine stumme zweiteilige Dia-Projektion mit 160 Dias in zwei Kodak Carousel Magazinen. Foto: transmediale

„Utopia“ ist eine stumme zweiteilige Dia-Projektion mit 160 Dias in zwei Kodak Carousel Magazinen. Foto: transmediale

„Trash“ und „Treasure“; die wachsamen Augen rund um transmediale-Kurator Kristoffer Gansing haben erkannt, was man bislang nur ahnen konnte – wir bewegen uns auf einer digitalen Mülldeponie mit einzelnen Schätzen zwischen Datenmüll und Zukunft, Glasfaser-Plaque und Schwerelosigkeit, Transparenz und Überwachungsprogramm. Eine Standortbestimmung in Zeiten der Postdigitalität, welche die 27. transmediale in diesem Jahr unter dem wunderbar mehrdeutigen Titel afterglow zusammenfasst. Denn dieser bezeichnet sowohl die Nachwirkungen eines Drogenrausches, als auch aufsteigenden Erdstaub, der in der Atmosphäre während der Dämmerung verglimmt.

Postdigitalität also lautet die Losung der Stunde, die es vom 29. Januar bis 2. Februar im Haus der Kulturen der Welt aus dem begrifflichen Unschärfebereich zu bergen gilt. Natürlich wieder mit Hilfe eines ausgeklügelten Filmprogramms, kuratiert von Marcel Schwierin. Dieses umfasst acht Screenings und sieben Installtionen, die sich über die Themen Big Data, Internet, digitalem und analogem Trash sowie Bespitzelung erstrecken. Der erste Eindruck: dystopisch.

In „White Nightmares“ beschäftigen sich unter anderem Whitney Johnston und Cory Arcangel mit den Ängsten von US-Amerikanern, die mehr und mehr an den Rand gedrängt werden. „Afterglow of Life“ rückt die berechtigte Frage in den Vordergrund, was eigentlich mit den ganzen digitalen Bildern nach unserem Ableben geschieht – in Zeiten, wo der Foto-Schuhkarton auf dem Dachboden wohl endgültig ausgedient hat.

Einen wichtigen Beitrag zum Thema Überwachung liefert hingegen der hochkarätig besetzte Programmpunkt „Out to Get You„, der mit Werken von Krysztof Kieślows und Chris Marker aufgepolstert ist. Synthetische Verwertung von Filmmaterial, zum Beispiel Pier Paolo Pasolinis, ist Bestandteil von „The Sound of Daily Vulgarity„, einem Screening, das die „Resteverwertung des allgegenwärtigen Bilderstroms, in diesem Fallle von Nachrichten“ thematisiert.

Besonders empfohlen sei „Luther Price Lost and Found„, in dem die Handmade Films von Luther Price präsentiert werden – im Beisein des Regisseurs. Die Installation „Utopia“, eine stumme zweiteilige Dia-Projektion mit 160 Dias in zwei Kodak Carousel Magazinen, wird im HKW-Auditorium in einem Loop gezeigt, während „Titloi Telous – Out of Frame“ von Präsenz und Verschwinden von großformatiger Außemwerbung in Griechenland erzählt. Und es beweist sich: auch verstörende Ödnis kann von Trash zumindest ein wenig „aufpoliert“ werden. So verschwimmen die Grenzen zwischen „Trash“ und „Treasure“ perspektivisch und setzen sich wieder neu zusammen. Bleibt: der afterglow. Und dann?

Carolin Weidner

27. Transmediale 29. Januar bis 2. Februar, Haus der Kulturen der Welt, Programm unter www.transmediale.de