Interview mit Berlinale Fotograf Gerhard Kassner

"Ich würde nie sagen: Mal die Brille runter"


Berlinale Fotograf Kassner grinst mit seinem Portrait von Jack Nicholson um die Wette. (c) DDemmerle

Berlinale Fotograf Kassner grinst mit seinem Portrait von Jack Nicholson um die Wette. (c) DDemmerle

Es sind die Stars, die die Filme zu Meisterwerken machen. Ein Fotograf hatte von Madonna bis Jack Nicholson alle vor der Kamera: Gerhard Kassner. Der Portraitfotograf lauert nicht am Roten Teppich, sondern schießt für das Festival die einzigartigen, großformatigen Portraits, die den Berlinale Palast schmücken. Während der Internationalen Filmfestspiele sind seine Werke in einer Ausstellung in der Bar Babette zu bewundern.

Im Interview blickt er auf eine besondere Begegnung mit den Coen-Brüdern zurück, erklärt, was einen Fotografen ausmacht und wie Irving Penn seine Arbeit beeinflusst hat.

Ist Ihre Arbeit mit der eines Hofmalers zu vergleichen?
Gerhard Kassner:
Das hört sich gut an. Betrachtet man Dieter Kosslick als König… Ginge man einige Jahrhunderte zurück, wäre das mein Job.

Gibt es einen Moment, für den Sie „König“ Dieter Kosslick dankbar sind?
Ich bin ihm sehr dankbar für die Treue, die mir ermöglicht hat, in meinen elf Jahren bei der Berlinale über 1200 Portraits aufzunehmen. Wir begegnen uns häufig und er bringt mir immer ein Feedback mit. Er ist immer dabei, wenn seine Stars meine Portraits unterzeichnen. Nachdem das ganze Festival vor Madonna gezittert hat, kam er mir entgegen und lobte meine Arbeit.

Bauen Sie ein persönliches Verhältnis zu Ihren Portraitierten auf?
Ja, sicher. Kommt jemand wieder, schaue ich mir vorher das alte Bild an und weiß dann das Jahr in dem er da war. Ich spreche mit der Person über das alte Bild. Es entstehen herzliche Augenblicke, aber nichts Persönliches. Kein Schauspieler lädt mich in seine Villa ein und Madonna gibt nicht Bescheid, wenn sie einen neuen Freund hat, um das Familienalbum zu pflegen. Diese Filmleute durchleben auf einem Festival eine unheimliche Erlebenswelt. Das ist wie mit 220 auf der Autobahn fahren.

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In wie weit spielt bei einem Fotografen Menschenkenntnis eine Rolle?
Ich würde von Lebenserfahrung sprechen. Mit Kenntnis tue ich mir schwer. Es ist eher eine Offenheit für Menschen, ein Empfinden, etwas das man in seinen Genen trägt. Am Gehen erkennt man sehr gut, wie ein Mensch drauf ist. Das machen auch Ärzte so.

Achten Sie darauf, wie jemand zu Ihnen ins Berlinale-Studio kommt?
Klar! Man spürt, ob es demjenigen unangenehm ist. Bei Laienschauspielern ist das ausgeprägt, auf die gehe ich zu. Die Profis wissen, das gehört dazu. Die haben eine große Unmittelbarkeit und Präsenz. Da kommt es eher selten vor, dass jemand wie die Coen-Brothers reinkommt und erstmal hinterfragt, ob das dazu gehöre. Die hatten gar keine Lust. Denen erklärte ich das Prozedere kurz und letztendlich standen sie perfekt, nämlich genau so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Das dauerte keine Minute. Eines der schnellsten Portraits aller Zeiten, wovon die auch überrascht waren. Ich zeigte ihnen nur ihren Platz und dort standen sie in ihrer Distanziertheit und ein wenig missmutig.

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