Interview mit Berlinale-Leiter Dieter Kosslick zu den 64. Internationalen Filmfestspielen Berlin

Abwechslungsreiche Angebote schaffen


Berlinale-Leiter Dieter Kosslick. Foto: Marc Ohrem Leclef / Berlinale 2012

Berlinale-Leiter Dieter Kosslick. Foto: Marc Ohrem Leclef / Berlinale 2012

Seit 2001 leitet Dieter Kosslick die Internationalen Filmfestspiele Berlins. Im Interview mit dem Berlinale-Direktor erfahren wir mehr über das aufkommende Filmland China, wo der deutsche Film international steht und wie die US-Serie „House of Cards“ in das Festival passt.
Herr Kosslick, gleich 20 Filme konkurrieren im Berlinale-Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären. Vor allem Chinas Filmindustrie scheint im Kommen. Wie verändert sich der Film aus dieser Region? Und wie wirkt sich das auf die internationale Filmszene aus?
Dieter Kosslick:
Ja, stimmt, wir haben China gleich dreifach im Wettbewerb. Die Filme verweisen alle auf reale Lebensumstände in diesem Land. Sicherlich ist das nicht der politische Underground Film, dafür bekommt man verborgene Gesellschaften zu Gesicht, wie bei „Blind Massage“ oder „No Man’s Land„. Als Film Noir zeigt sich „Bai Ri Yan Huo„. Die Genre-Vielfalt des Independent-Kinos ist eine interessante Beobachtung in diesem Zusammenhang. Man sieht die Entwicklung einer vitalen Filmindustrie, als auch der Independent Szene. Das ist ein positives Zeichen.

Auch der deutsche Film ist mit zahlreichen eigenen Filmen und Koproduktionen vertreten. Wo steht er im internationalen Vergleich?
Die Bandbreite der Themen und die unterschiedlichen Genres zeugen von einer kreativen deutschen Szene. Ein eindrückliches Bild vermittelt nicht nur der diesjährige Wettbewerb, sondern auch die weiteren deutschen Filme in den Sektionen Panorama, Forum oder der Perspektive Deutsches Kino.

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Dietrich Brüggemann, der mit „Kreuzweg“ im Wettbewerb vertreten ist, kritisierte im vergangenen Jahr die „Berliner Schule“ und auch die exponierte Platzierung der Filme bei der Berlinale. Was dürfen die Zuschauer von seinem Werk erwarten?
Sie können von einem brisanten Film ausgehen, der sich mit hochaktuellen Themen auseinandersetzt und zudem visuell spannend ist: Religionswahnsinn, die ‚Pius Bruderschaft‘, die damit verbundene psychische Gewalt und die Auswirkungen in einer Familie.
Wir freuen uns über seinen neuen Film, Dietrich Brüggemann wurde in der Sektion Perspektive Deutsches Kino „entdeckt“. Er hat bereits zwei Mal, einmal mit seinem Abschlussfilm (HFF „Konrad Wolf“) „Neun Szenen“ in 2006 und seinem Debütfilm „Renn, wenn du kannst“ am Festival teilgenommen. Dass er nun im Wettbewerb ist, ist eine toller nächste Schritt – zu unserer Freude und der des Publikums.


Bei der großen Berlinale-Pressekonferenz fiel auf, dass auf dem Podium die Berlinale Shorts, bei denen ja ebenfalls Goldene und Silberne Bären vergeben werden, in Person von Maike Mia Höhne fehlten. Müssen Kurzfilmfreunde fürchten, dass die Shorts an den Rand der Berlinale rücken?
Das brauchen Sie mit Sicherheit nicht zu befürchten. Es ging lediglich um eine Verschlankung des Podiums, das war intern besprochen. Auch die Verantwortlichen anderer Sektionen oder Bereiche waren nicht auf dem Podium. Die Berlinale Shorts sind ein genauso wichtiger Bestandteil der Internationalen Filmfestspiele Berlin wie andere Sektionen.

Die Berlinale öffnet sich seit einigen Jahren gegenüber den boomenden Serien, in denen auch immer häufiger etablierte Kinoregisseure und –Schauspieler ihren Platz finden. Nach spektakulären Specials mit Serienpremieren von Dominik Graf, Jane Campion und Werner Herzog zeigen Sie nun die ersten beiden Folgen der zweiten Staffel der Netflix-Prestigeproduktion „House of Cards„, die schon einige Tage vorher im deutschen Pay-TV zu sehen ist. Warum verlässt die Berlinale ihren Weg und exponiert nicht eine in Deutschland noch unbekannte Serie?
Als Publikumsfestival sind wir immer daran interessiert weitere und abwechslungsreiche Angebote für unsere Besucher zu schaffen. Serien sind ein Teil der Filmkultur geworden, das verfolgen wir seit Jahren mit Interesse und möchten sie selbstverständlich gern auch präsentieren. Es ist doch schön, dass wir dem Publikum diese Möglichkeit bieten die ersten beiden Folgen der zweiten Staffel öffentlich und auch noch gratis zu sehen. TV-Serien werden auch in Zukunft beim Festival einen Platz haben. Und wenn dabei eine neue Serie oder gar ein neues Format entdeckt werden sollte, werden wir uns sicherlich nicht dagegen versperren.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.