Heiner Lauterbach über seinen Gangsterfilm „Harms“

Es gibt keinen Filmproduzenten, der genug Geld hat


Heiner Lauterbach spielt den Gangster und Titelhelden Harms. Foto: Kinostar

Heiner Lauterbach spielt den Gangster und Titelhelden Harms. Foto: Kinostar

Im harten Gangsterfilm Harms spielt Schauspieler Heiner Lauterbach nicht nur die Hauptfigur, sondern hat den Film auch gemeinsam mit Regisseur Nikolai Müllerschön produziert – und das ohne öffentliche Fördergelder. Das hat gute Gründe, wie wir im Interview mit dem Kölner erfahren. Im Interview berichtet der mittlerweile 61-jährige, wieso es Genre-Film in Deutschland schwer hat, warum „Harms“ unüblich brutal sein musste, wie sich das Männerbild verändert und wieso der Film während der Fußball Weltmeisterschaft ins Kino kommt.

Herr Lauterbach, „Harms“ ist ein blutiger Gangsterfilm. Er zeigt eine harte Männerwelt, in der Frauen nur am Rande als Prostituierte oder nörgelnde Freundinnen vorkommen. Wie böse ist die Welt da draußen?
Heiner Lauterbach:
Der Film spiegelt das Leben wieder und das Leben ist hart. In dem Milieu von Gangster Harms ist es manchmal besonders hart und doch haben wir auch Liebesszenen drin. Wir negieren diese Härte nicht und zeigen sie einfach. Die Härte, die wir in der Gefängnisdusche zeigen, macht die Liebesszene, in der Harms seiner Lieben Kaugummis schenkt, erst zu dem, was sie ist. Nur wer Harms vorher kennen lernt, nimmt das als Liebesszene wahr.

Sie wollten also nicht schockieren?
Brutalität feiern wir nicht ab, indem wir wie Tarantino oder Peckinpah in endlosen Zeitlupen Blut spritzen lassen. Ich bin kein Freund von idiotisch brutalen Szenen, die zu Kult und großer Kunst aufgebauscht werden. Das finde ich nur noch blöd. Unsere Härte ist kalkuliert, um die Geschichte konsequent zu erzählen, hat aber nix mit Effekthascherei zu tun. Deshalb konnten wir zu Beginn, bei der Prügelei in der Gefängnisdusche auch nicht auf den einen oder anderen Schlag verzichten. Dort gelten andere Gesetze. Du musst dich Durchsetzen, damit du Ruhe hast. Bist du wie Harms 16 Jahre im Knast, nimmst du die Verhaltensformen an. Dann sorgst du konsequent für klare Verhältnisse.

Der Durchbruch gelang Ihnen 1985 mit der Komödie „Männer“ von Doris Dörrie. Zwischen den Filmen liegen fast 30 Jahre, in denen sich das Männerbild in der Gesellschaft gewandelt hat. Als exemplarisch für die Veränderung kann man das von Ex-„Brigitte“-Chef Andreas Lebert veröffentlichte Buch „Anleitung zum Männlichsein“ betrachten. Brauchen Männer heute tatsächlich so eine Anleitung?
Ich brauche keine. Wenn die jemand braucht, wäre das für mich ein erstes Zeichen von Un-Männlichkeit. Ich bezweifle, dass jemand sein Ziel durch Lesen und Befolgen einer solchen Anleitung erreicht. Das ist eine Sache, die in einem steckt. Das hat nix mit Physis zu tun. Es gibt auch kleine, dicke oder unscheinbare Männer, die männlich handeln, die gerade sind. Die das halten, was sie versprechen, auf die man sich verlassen kann. Das sind zwar auch für Frauen schöne, aber in meinen Augen sehr männliche Eigenschaften.

Hier einige Eindrücke vom Film…

Beim „Tatort“ scheint Götz Georges ruppiger Schimanski von Figuren wie Axel Prahls nachdenklichem Frank Thiel abgelöst. Sind heute im deutschen Film andere Typen gefragt?
Alles verändert sich ein bisschen. Ich finde Film interessant, wenn er viele Genre bedient und so verschiedene Typen in seinen Geschichten kreiert. Das Androgyne ging bei den Fußballern mit Beckham los und heute gibt es Figuren, wie Jorge Gonzalez, die dieses Gesamtbild verstärken. Grundsätzlich bin ich um Toleranz bemüht. Die ist für mich eine der schönsten menschlichen Eigenschaften. Jeder soll nach seiner Facon leben.

Erwähnter Axel Prahl spielt an Ihrer Seite in „Harms“ als Teil eines hochkarätigen Ensembles. Gemeinsam mit dem Regisseur Nikolai Müllerschön haben Sie den Film auch produziert. Mit welchen Parametern denkt der Produzent Lauterbach Film?
Nikolai und ich haben bei einem gemeinsamen Dreh festgestellt, dass wir beide große Fans von klassischen Gangsterfilmen sind und beschlossen so einen zu machen. Unser erster Parameter war, dass er uns beiden gefallen muss. Wir sind beide der Überzeugung, dass man schlecht beraten ist, sich dem Publikumsgeschmack zu beugen. Wir wollten als erstes gemeinsames Ziel erreichen, dass wir uns nach dem Film anschauen und er uns beiden gefällt. Das war das Wichtigste. Der Rest kommt – oder kommt nicht. So ist das im Filmgeschäft. Mit Glück ist der Geschmack kompatibel mit dem der Masse, mit weniger Glück eben nicht so. Genauso verhält es sich mit Kritikern. Sich davon frei zu machen ist der einzige Weg kreativ zu sein, sonst gerät man immer in das Fahrwasser vermeintlicher Erfolge und endet bei Abklatschen.

Sie sprechen den kreativen Prozess an, aber als Produzent müssen Sie das Wirtschaftliche im Auge behalten. Schlugen da manchmal zwei Herzen in Ihrer Brust?
Es gibt keinen Filmproduzenten, der genug Geld für seinen Film hätte. Aber mich haben die beiden Betätigungsfelder nicht irritiert. Auch nur als Schauspieler bin ich gegen unnötiges Geldausgeben am Set. Ich sage immer: Steckt das vor die Kamera, damit man das Geld auch sieht. Als ich als Anfänger einen meiner ersten Derricks gedreht habe, ist die Kostümbildnerin mit mir eine 2.000 Mark teure Jacke kaufen gegangen. Mit der bin ich einmal durch das Bild gelaufen. Hätte die mich gefragt, ob ich eine schwarze Lederjacke habe, hätte man sich die 2.000 Mark schenken können. An dieses Beispiel muss ich immer denken. Wie viel Geld beim Film rausgeschmissen wird… Das mag ich als Schauspieler nicht – und als Produzent natürlich auch nicht.

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