Kino im Kiez: Ladenkino Friedrichshain

Ein Kino, das kein Kino ist


In der Reihe "Kino im Kiez" stellen wir euch besondere Kino-Orte vor. Foto: Cosima Grohmann

In der Reihe „Kino im Kiez“ stellen wir euch besondere Kino-Orte vor. Foto: Cosima Grohmann

Neben drei Vorführräumen verfügt das „Ladenkino“ über die Cinemathek „Filmkunst“ mit rund 15.000 Filmen und einer Bar mit ausgesuchten Whiskey-Sorten. Bis vor zwei Jahren betrieb Skalli zusammen mit seinen Mitstreitern die „Filmkunst“-Cinemathek noch in der Revaler Straße und ein Ladenkino in der Nähe des Ostbahnhofs. „Das wir nun alles unter einem Dach haben, ist ein großer Fortschritt, denn anders als vor einigen Jahren lässt sich mit einer Cinemathek allein nicht mehr viel bewegen“, sagt er. „Wirtschaftlich interessanter“ sei es sowieso, wenn man sich nur auf Blockbuster fokussiere, sagt er. Aber darum geht es den Betreibern vom Ladenkino selbstverständlich nicht.

Kino_Im_Kiez_Filmkunst_Berliner-Filmfestivals1Vielmehr geht der Begriff „Ladenkino“ auf eine Kinoform zurück, die Anfang der Zwanziger Jahre beliebt war: In leerstehenden Ladengeschäften mieteten sich Kinos ein, die zu günstigen Eintrittspreisen mehrere einstündige Vorführungen unterschiedlichster Genres hintereinander zeigten. Die Stummfilme wurden auf dem Akkordeon begleitet und in den Pausen gab es musikalische Einlagen, bei denen die Zuschauer mit Hilfe von eingeblendeten Texten zum Mitsingen aufgefordert wurden. Kino wurde so zu einem gesellschaftlichen Ereignis, das mehr war als Einlass, Vorstellung und Abspann. In seinem weißen Matrosenhemd sieht Skalli selbst aus, wie ein Protagonist aus der Zeit der Nickelodeons. Ohne Hast steht er auf, um den nächsten Film zwar nicht in den Projektor einzulegen, aber immerhin persönlich zu starten. „Die Kopien auf Festplatte sind natürlich wesentlich günstiger für uns“, sagt er – auch wenn der Zauber der alten Filmvorführungen auf Zelluloid durch die Digitalisierung unwiederbringlich verloren gegangen ist.

Weiterlesen: Unsere Kritik „Tyrannei der Intimität zu „Her„.

Nach einer Weile schauen die beiden Damen etwas irritiert auf die Uhr. Schon fünfzehn Minuten Verspätung und keine Spur von Skalli. „Ob der uns vergessen hat?“, fragt eine der beiden und zuckt ratlos mit den Schultern. „Wir werden bestimmt gleich abgeholt“, versichert die andere. „Dies ist kein Kino“ steht in großen Lettern draußen über den Kinoplakaten. Nun versteht man, warum. Das „Ladenkino“ ist eben mehr als ein Ort, an dem man bloß pünktlich in eine Filmvorstellung geht. Drinnen ertönt derweil der nächste Aufruf in die Welt der bewegten Bilder: „Die Besucher für ,Her‚?“

Text: Cosima M. Grohmann

Hier findet ihr das Ladenkino und die Filmkunst im Netz!
Und hier ein weiterer Beitrag zum Ladenkino: „Dies ist kein Kino“ von Joris Hielscher in der Berliner Zeitung.

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Unser Interview „Filme, die auf den ersten Blick nicht gefallen mit Filmemacher und Kurator Sebastian Minke zur Filmreihe ab:sicht.

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