Verleih Drop-Out Cinema: Interview mit Jörg van Bebber

Kollateralschaden "Under The Skin"


Jörg van Bebber engagiert sich bei dem genossenschaftlichen Verleih Drop-Out Cinema.

Jörg van Bebber engagiert sich bei dem genossenschaftlichen Verleih Drop-Out Cinema.

„Endlich gutes Kino!“ … dafür wollen Jörg van Bebber und seine Mitstreiter vom Verleih Drop-Out Cinema sorgen. Genervt vom gleichströmigen Kino-Einerlei entstand der Wunsch zu verändern. Ergebnis ist diese Initiative zur Förderung der Film- und Kinokultur, der genossenschaftlich organisierte Verleih Drop-Out Cinema. Im Interview mit Berliner Filmfestivals erklärt van Bebber, warum und wie das Kino weiter bestehen wird, wie Drop-Out Cinema funktioniert und jeder sich beteiligen kann. Er bezieht Stellung zur Kontroverse um „Under The Skin“ und gibt einen Einblick in die Filmauswahl.

Was hat das Kino anderen Filmkonsumformen, wie der DVD oder VoD voraus?
Jörg van Bebber:
Das Kino ist mehr als eine Möglichkeit, einen Film zu sehen. Es ist ein kultureller Raum, der die Filmlektüre zu einem kollektiven Ritus macht. Dazu gehört, dass man Kontrolle abgibt und sich den Filmbildern ausliefert. Das Licht verlöscht, das Publikum verstummt und der Vorhang öffnet sich. Diese Rezeptionssituation kann man nur teilweise in den eigenen vier Wänden simulieren. Auch das Fernsehen bietet Rituale, aber doch in abgewandelter Form. Die Sehnsucht nach Kollektivritualen wird wachsen, wie man z.B. an den wachsenden Zuschauerzahlen von „Tatort“ und dem Serien-Hype sehen kann. Hier wird das Kino weiterhin mit seinen Blockbustern eine große Rolle spielen.
Zudem ist Kino die günstigste Möglichkeit, regelmäßig die Filme in bester Darbietungsform zu sehen. Wie viele Kinotickets müsste man lösen, um ein ebenbürtiges Heimkino zu finanzieren? Warum nicht lieber das kleine Kino im Kiez unterstützen?

Was würde verloren gehen, wenn die Kinokultur verschwände?
Kinokultur wird niemals verschwinden, aber sie wird sich sicherlich verändern (müssen). Einerseits wird es eine „museale“ Kinokultur geben, die die kulturelle Praxis des Kinos am Leben erhält und auch historische Filmschätze in ihrer ursprünglichen Materialität zur Aufführung bringt. Und es wird die Häuser geben, in denen Film als Kollektiv-Event zelebriert wird.
Denkbar wäre, das Kino als Geschäftsmodell völlig zusammenbricht. Hier bin ich mir aber sicher, dass dies durch gesellschaftliche Initiativen aufgefangen wird.

Welche Filme sind für euch als Verleih interessant?
Prinzipiell sind alle Filme interessant, die aus dem von Filmförderung geprägten Filmmarkt herausfallen. Wenn ein Film für einen anderen Verleiher interessant sein sollte, lassen wir diesem den Vortritt. Ja, wir empfehlen sogar allen Produzenten, sich zunächst bei anderen Verleihern vorzustellen. Mich persönlich interessiert vor allem das Spektrum des „Phantastischen Films“ und radikales, experimentelles Kino.

Weiterlesen: Cindy Böhmes Filmkritik „Glückskinder zu „Millionen“ von Fabian Möhrke.

Was zeichnet den achtung berlin-Gewinner „Millionen“ oder auch „Love Eternal“ aus, die ihr beide ins Kino gebracht habt?
Da das ZDF „Millionen“ bereits im September im Rahmen des „Kleinen Fernsehspiels“ senden möchte, wäre hier keine Verleihförderung drin gewesen, weswegen sich wohl kein anderer Verleih für den Film interessiert hatte. „Love Eternal“ ist ein schwieriger Grenzgänger zwischen Arthouse und Genre, der zudem das Thema „Nekrophilie“ behandelt: Auch hierfür hat sich niemand interessiert, weswegen ein Direct-to-Video-Release geplant war. Beide Filme sind phänomenal gut, aber eben doch eher „Festival-Filme“, die schwer vermarktbar sind bzw. durch die Förderkriterien verhindert werden. Das ist Futter für uns!

Weiterlesen: Unsere Filmkritik „Was bleibt, wenn wir verschwinden“ zu „Love Eternal“ von Brendan Muldowney.

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