Fan Popo zeigt am 21. Juni „Mama Rainbow“ im Berliner xart splitta

Fan Popo: Ich bin weder reich noch von der Todesstrafe bedroht


fanpopo-225x300Welche Reaktionen haben Sie auf „Mama Rainbow“ bekommen?
Tatsächlich erzählen mir viele Menschen, wie wichtig der Film für sie war, um gestärkt in eine ähnliche Situation mit ihre Eltern zu gehen. Einige Menschen zeigen den Film ihren Eltern, um sich so zu erklären. Ein Freund von mir hat das Ganze sogar noch weitergeführt und seine Mutter dabei gefilmt, wie sie „Mama Rainbow“ schaut. Einmal habe ich sogar Post aus Deutschland bekommen, von einer jungen Frau, die sich als lesbisch identifiziert und in Deutschland als Tochter von Chines_innen aufgewachsen ist. Sie schrieb mir, wie viel sie nach dem Film geweint hätte, weil sie sich ihren Eltern niemals erklären könne. Als ich das las, habe auch ich sehr geweint. Zwei Jahre später jedoch schrieb sie mir erneut und sagte, es hätte endlich geklappt, ihre Eltern wüssten Bescheid! Diese Geschichten geben mir sehr viel Kraft, das motiviert mich weiterzumachen – und ich glaube, meine Filme geben anderen Menschen auch Kraft.

Mama Rainbow“ ist bereits auf vielen internationalen Filmfestivals gezeigt worden; kürzlich wurde der Film als „Visual Inspiration of the Year“ beim Asia LGBT Milestone Award 2015 (ALMA) in Bangkok ausgezeichnet. Welche Rolle spielen internationales Publikum und Anerkennung für Sie?
Ich habe das Gefühl, dass viele Independent-Filmemacher_innen in China zunehmend für ein internationales Publikum arbeiten, weil sie keine Independent-Filme für chinesisches Kino produzieren können. Aber mir ist es am wichtigsten, dass die Filme in China gezeigt werden; dass Chinesinnen und Chinesen diese Filme sehen können! Schließlich komme ich daher und meine Protagonist_innen auch und gerade bei dem Thema Queer ist es mir wichtig, dass sich hier etwas voran bewegt. Trotzdem freue ich mich natürlich über die internationale Verbreitung – auch, weil ich ein anderes Bild von China zeigen möchte. Wenn ich im Ausland bin, gibt es meistens zwei Reaktionen auf China: Die einen glauben, dass Schwule in China getötet werden, als wären wir noch in Zeiten der Kulturrevolution! Die anderen glauben, dass ich reich bin, weil heute so viel über superreiche Chinesen geschrieben wird. Dabei bin ich weder das eine noch das andere: weder reich noch von der Todesstrafe bedroht. Mir ist es wichtig, diesem verzerrten Bild etwas entgegenzusetzen.

Brokeback Mountain“ war ein großer Erfolg in China

Einer der Protagonisten in „Mama Rainbow“ sagt „wo shi gay“ (‚ich bin schwul‘); er benutzt für ’schwul‘ also einen englischen statt chinesischen Ausdruck. Welche Rolle spielen internationale Diskurse und Bewegungen in der ‚queeren Welt‘ Chinas?
Ja, das manche Leute sich als „gay“, „lesbian“ etc. bezeichnen, zeigt, dass wir insbesondere von den USA recht beeinflusst sind, vor allem durch Filme, Fernsehserien und so weiter. „Brokeback Mountain“ war ein großer Erfolg in China – ich würde sogar sagen, dass viele Menschen durch diesen Film zum ersten Mal erfahren haben, dass es gleichgeschlechtliche Liebe gibt! Er hat eine Tür geöffnet. Eine Zeit lang war duanbei, die chinesische Übersetzung für „brokeback“, sogar ein gängiger Ausdruck für ’schwul‘. Das zeigt, wie viel Film bereits bewegt hat und noch bewegen kann für LGBT-Rechte in China.

Sie sind auch Kommitteemitglied des Beijing Queer Film Festivals, das seit 2001 regelmäßig stattfindet – wenn alles gut geht, im kommenden September bereits zum achten Mal…
Ja, wir hoffen, dass das Festival dieses Jahr irgendwie stattfinden kann – aber die Situation ist momentan sehr schlecht, wir haben sogar schon überlegt, es dieses Jahr doch ganz sein zu lassen oder das Festival außerhalb Pekings zu organisieren. Im März sind am internationalen Frauentag fünf Aktivistinnen festgenommen worden; derzeit werden ständig Cafés und Clubs geschlossen und viele Veranstaltungen verboten. Wir müssen also, wie aber eigentlich jedes Jahr, kreativ denken und mit verschiedenen Formen experimentieren. Das British Film Institute hat im März fünf Filme von einem queeren Filmfestival online gestellt und so eine Art weltweites Online-Festival ausgerichtet. Das können wir uns auch vorstellen, dann wären die Filme für einen gewissen Zeitraum passwortgeschützt online, so dass das Urheberrecht geschützt werden kann.

Einmal sagten Sie, dass Sie sich unter LGBT-Aktivst_innen als Filmemacher vorstellen, unter Filmemacher_innen als LGBT-Aktivist: Sie lassen sich nur ungern irgendwo einordnen. Doch inwiefern ist beides für Sie miteinander verbunden?
Ein halbes Jahr habe ich sogar mal am Beijing LGBT Center aktiv mitgearbeitet, aber es war schwierig, dies zeitlich mit dem Filmemachen zu verbinden. Aber natürlich betrachte ich Filmemachen selbst als eine Form des Aktivismus, es geht um die Sichtbarkeit von queeren Personen und Lebensweisen! Schon während meiner Zeit an der Beijing Film Academy hatte ich das Gefühl, dass viele Menschen ihre Haltung zu ‚Homosexualität‘ ändern, wenn sie Filme darüber sehen – sonst kommen sie mit dem Thema oder den Menschen vielleicht kaum in Berührung und haben nur Vorurteile.

Die Fragen stellte Merle Groneweg.

Am Sonntag, 21. Juni 2015 um 19 Uhr zeigt er „Mama Rainbow“ (2012) im xart splitta (Hasenheide 73, 10967 Berlin).
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