Ehrenbären-Preisträger Michael Ballhaus bei den Berlinale Talents

Verrückter Fassbinder, blutrünstiger Scorsese


Mit einer Hommage bei der Berlinale 2016 geehrt: Michael Ballhaus. Foto: Ralph Mecke/Berlinale

Mit einer Hommage bei der Berlinale 2016 geehrt: Michael Ballhaus. Foto: Ralph Mecke/Berlinale

Ein Abend mit dem Kameramann Michael Ballhaus und dem Fotografen Jim Rakete im Rahmen des Berlinale Talent Campus.

Es hat etwas Paradoxes, wenn einer der weltbekanntesten Kameramänner langsam erblindet. Bei Michael Ballhaus, dem die Hommage und der Ehrenbär der diesjährigen Berlinale gewidmet ist, spürt man zwar sein hohes Alter, den Grünen Star, an dem er seit zwanzig Jahren leidet, merkt man ihm an diesem Mittwochabend bei einem Podiumsgespräch im Rahmen des Berlinale Talent Campus nicht an. Ballhaus, 1935 in Berlin geboren, blickt detailliert und humorvoll auf mehr als vierzig Jahre Arbeit als Kameramann zurück – an seiner Seite als Moderator und Stichwortgeber Jim Rakete. Der deutsche Star-Fotograf, der in seiner Laufbahn selbst mit vielen internationalen Stars und Künstlern zusammengearbeitet hat, ist dem älteren Kollegen jedoch eine Stütze, wann immer dem 81-Jährigen einige Namen aus der Vergangenheit nicht mehr einfallen wollen: Wer hat nochmal bei „Die Brücke“ 1959 Regie geführt? „Ach ja, Bernhard Wicki, nice guy.“ Und mit wem hab ich 1994 „Quiz Show“ gedreht? „Robert Redford war’s, richtig.“

Chronologisch hangeln sich die beiden vorbei an Ballhaus‘ Anfängen als Kameraassistent beim SWF in Baden-Baden, wo er später auch Peter Lilienthal und Ulli Lommel kennenlernte. Lommel war es denn auch, der ihn Mitte der Siebzigerjahre mit Rainer Werner Fassbinder zusammen brachte. Doch so einfach lässt sich Ballhaus nicht zu einem der wichtigsten Kapitel in seiner Laufbahn führen. Man merkt, wie ihm die Erinnerung an „diesen Typen“, wie er Fassbinder nennt, unangenehm ist, ernsthaft unangenehmer als anderen aus der „Fassbinder-Schlammgrube“, dem einstigen inner circle des umtriebigen Regisseurs, der für viele der unangefochtene König des Neuen Deutschen Films ist. Unumwunden gibt Ballhaus zu, Fassbinder sei wirklich ein „mean asshole“ gewesen – das gibt Lacher und Applaus, schließlich ist hinlänglich bekannt, wie der Regisseur seine Mitarbeiter zur äußersten Anstrengung und absoluter Hingabe zwang. Ballhaus‘ Kritik an Fassbinder geht allerdings über das anekdotenhafte Nacherzählen größerer und kleinerer Grausamkeiten hinaus. Die oftmals rein emotional begründeten Entscheidungen, die zwar keinen rationalen Hintergrund hatten, für die Fassbinder aber dennoch hundertprozentiges Verständnis erwartete, waren es, die ihn nach 15 Filmen schließlich zum endgültigen Bruch mit dem enfant terrible des Neuen Deutschen Films und direkt nach Amerika führten. Mit seiner berühmten 360-Grad-Kamerafahrt, die er zusammen mit Fassbinder das erste Mal in „Martha“ (1974) entwickelte, im Gepäck, war er über Deutschland Grenzen hinaus bereits als „Fassbinders Kameramann“ bekannt. Ein Fakt, der ihm den Start in New York leichter machte, das immerhin gibt der dreifach Oscar nominierte Director of Photography zu.

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