Cannes 2016: Goldene Palme für Ken Loach und „I, Daniel Blake“

69. Festival de Cannes: Zwischen Regen, Terrorangst und Frauenpower


Cannes_2016
Das verregnete und stürmische Wetter in den ersten Tagen der 69. Filmfestspiele in Cannes wirkte fast so, als hätte es die Angespanntheit und Ängste um die Sicherheit an der Croisette im Angesicht vergangener Terrorwellen einfach wegspülen wollen. Doch die Flaniermeile in Cannes schien sowohl gegen den Regen als auch jegliche Sorgen geradezu immun. Auch in diesem Jahr ließ es sich kaum jemand nehmen, am Roten Teppich Schlange zu stehen, um auf die eingeflogenen Filmstars zu warten. Nicht zuletzt ist dies der Entscheidung zu verdanken, statt auf bis an die Zähne bewaffnete Militärs lieber auf überwiegend lokale und nationale Polizeibeamte zu setzen, die in der Stadt und an der Küste patrouillierten. Anders also als es in Nizza seit sechs Monaten der Fall ist. Und so hat Cannes es geschafft, sich seine geschätzte Festivalatmosphäre zu bewahren.

Cannes konnte sich so ganz auf seine Inhalte konzentrieren. 21 Filme konkurrierten im Wettbewerb miteinander und zusätzlich rund 60 Filme verteilten sich auf sieben weitere Sektionen. Es war ein buntes und interessantes Festival, mit zahlreichen internationalen Gästen, doch in der Summe wenigen unvergesslichen Filmen. Das Cannes der Vergangenheit und der Gegenwart hatte es immer verstanden, die wirklich innovativen filmischen Werke – angefangen bei Steven Soderberghs „Sex, Lies & Videotape“, Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ bis hin zu Laszlo Nemes „Son of Saul“ – zu finden und herauszustellen. In diesem Jahr allerdings dominierte vielmehr Masse statt Klasse. Nicht nur im Wettbewerb gab es zu viele Filme, die sowohl in Bezug auf die Themen wie auch auf die künstlerische Umsetzung versuchten, auf eine eher banale Idee von Kino zu reagieren. So hinterließen beispielsweise Regisseure wie Pedro Almodovar oder auch die Dardenne Brüder eher einen faden Eindruck der Ermüdung, weil die ihnen eigenen Filmuniversen sich eher in Redundanzen zu erschöpfen scheinen.

Es ist wohl kein Zufall, dass gerade Maren Ades im Wettbewerb gezeigter Film „Toni Erdmann“ oder auch Kleber Mendonça Filhos „Aquarius„, beide Regisseure verfolgen einen völlig eigenen Weg der filmischen Umsetzung ihrer Geschichten, gerade deshalb von der Kritik so überaus gelobt wurden. Mit Maren Ade vertrat darüber hinaus nicht nur eine Frau den deutschen Film an der Croisette, sondern gelangte nach acht Jahren Abwesenheit endlich auch wieder einmal ein deutscher Film in den Wettbewerb des Cannes Filmfestivals.

Weiterlesen: Unsere Kritik „Über die Käsereibe als Gradmesser familiärer Beziehungen und die befreiende Kraft von Furzkissen“ zu „Toni Erdmann„…

Geradezu vernichtend reagierte die Presse dagegen auf Olivier Assayas‘ „Personal Shopper“ und Nicolas Winding Refns „Neon Demon„, zwei Filme, die versuchen Erzählungen anzubieten, die sich ebenfalls weit von gewohnten Mustern entfernen, dabei allerdings eklatant scheitern: „Personal Shopper“ an seiner faden Umsetzung und dem Willen des Regisseurs dem Zuschauer seine geisterhafte Idee in einer sensationellen Erzählung zu verpacken, während Nicolas Winding Refn in „Neon Demon“ seine Geschichte komplett einer überzogenen Bildästhetik opfert, die den Zuschauer am Ende nur verärgert zurücklässt.

1 2 3