Fragen an Berit Petzsch und Juliane Springsguth zu Stadtlichter – Internationale Lichtenberger Filmnächte

Stadtlichter 2016: "Die Idee der cineastischen Zwischennutzung"


stadtlichter_poster_hanoiSie möchten das Medium Film als Mittel des kulturellen Austausches nutzen. Wieso eignet es sich gut oder besser als andere Kunstformen?
Juliane Springsguth:
Wir haben beide für verschiedenste nationale als auch internationale Filmfestivals gearbeitet, daher ist uns diese Kunstform am vertrautesten. Das Medium hat aufgrund der Digitalisierung in den letzten Jahren eine Art Demokratisierung erfahren, d.h. man kann heutzutage mit einem geringen finanziellen Aufwand selbst Filme produzieren und diese über Online-Kanäle einer grossen Öffentlichkeit zugänglich machen. Dieser Prozess ist spannend und trägt zum kulturellen Austausch bei. Bei Stadtlichter treffen professionelle Filme auf kleinere Projekte, die sich gegenseitig befruchten.

Der Auftakt des Festivals findet im Dong Xuan-Center in einem der vietnamesischen Restaurants statt. Zum Konzept des Festivals gehören Vorführungen an ungewöhnlichen Orten. Wie viel Einfluss hat der Veranstaltungsort auf das Filmerlebnis?
Petzsch:
Temporäre Filmvorführungen rücken ungewöhnliche Orte ins Licht und schaffen eine ganz besondere Kinoatmosphäre. Lichtenberg bietet für die Idee der cineastischen Zwischennutzung eine Vielfalt an Plätzen, deren Entdeckung sich lohnt. Gerade die Auftaktveranstaltung im Dong Xuan Center bietet eine ganz besondere Atmosphäre, die das Filmerlebnis natürlich mitbeeinflusst. Wir haben bei der Zusammenstellung des Filmprogramms versucht, Bezugspunkte zwischen Ort und Filmprogramm soweit wie möglich mit zu berücksichtigen. So wird beim Wasserfest Rummelsburg am 3. September der Fokus auf Mubukwana / Maputo-Ka (Mosambik) liegen, eine Stadt am Wasser, am Indischen Ozean. Wir möchten mit den verschiedenen Veranstaltungsorten an die Tradition der Wanderkinos anknüpfen und dem Publikum darüber hinaus nicht nur ein tolles Filmprogramm bieten, sondern ihm auch unbekannte Orte Berlins näher bringen.

Die Eröffnung des Festivals steht ganz im Zeichen Vietnams. Sie kombinieren einen Kurzfilm („Sunday Menu„, Regie: Liesl Nguyen) einer Berlinerin und einen Langfilm („Flapping in the Middle of Nowhere„, Diep Hoang Nguyen) einer vietnamesischen Autorin. Wie repräsentieren die beiden Filme das Land und die Kultur Vietnams? Welche Bezüge lassen sich zur deutschen Gesellschaft herstellen?
Springsguth:
Flapping in the Middle of Nowhere“ lief in letzten zwei Jahren weltweit auf Festivals und hat u.a. den Kritikerpreis in Venedig gewonnen. Der Film gibt Einblicke in den Alltag eines jungen Paares vor dem Hintergrund einer ungewollten Schwangerschaft. Die Bilder lassen die Zuschauer eintauchen in das normale Stadtleben von Hanoi mit seiner Hektik, den üblichen Essensständen oder auch den Hahnenkämpfen. Filmästhetisch ist es ein sehr zeitgenössischer Film, der auch in Vietnam in vielen Programmkinos gezeigt wurde, was eher selten ist. Liesl Nguyen dagegen thematisiert in ihrem Kurzfilm „Sunday Menu“ die Problematik einer jungen Deutsch-Vietnamesin in Berlin, sich in zwei Kulturen zu bewegen. Über die Auseinandersetzung mit Essensritualen nähert sie sich ihren vietnamesischen Wurzeln.

Nach welchen Kriterien gestalten Sie das Programm auch der nächsten Filmabenden?
Springsguth:
Das wichtigste Kriterium ist sicherlich der Bezug zur jeweiligen Partnerstadt Lichtenbergs. Dafür kooperieren wir mit vielen internationalen Akteuren wie dem „Filmfestival Territorium“ aus Kaliningrad oder dem „Litauisches Kino goes Berlin„. Die zweite Veranstaltung am 4. Juni hat den Fokus Hajnówka (Polen) und findet zusammen mit dem Sommerfest der Heikonauten statt. Nur wenige Tage nach dem Internationalen Kindertag am 1. Juni werden wir sowohl ein Kinderfilmprogramm mit „Lolek und Bolek“ sowie Filmen von und mit Lichtenberger Kindern und Jugendlichen und eine Kurzfilmrolle von „Podlasie Makes Me Happy„, einer Künstlerinitiative aus der Region Hajnówka, präsentieren.

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