BFF on the Road: Festivalbericht vom 2016er Dok Leipzig

59. Dok Leipzig: Von starken Frauen und verstörenden Kretins


Autorin Marie Ketzscher hat für Berliner Filmfestivals die 59. Ausgabe Dok Leipzig besucht.

Autorin Marie Ketzscher hat für Berliner Filmfestivals die 59. Ausgabe Dok Leipzig besucht.

Fünf Filme, fünf Regisseurinnen – beim zweiten Q&A des „Neue Deutsche Animation 1“-Screenings ist die Quote übererfüllt, ganz ohne dass das als Politikum gehandelt wird. Aber nicht nur die Feministin hat just ihre wahre Freude erleben können: Schon der erste Blick ins Dok Leipzig Programm (31.10 – 6.11.2016) war eine Konversation mit unterschiedlichen Diskursen auf der Höhe der Zeit. Technisch, weil 360°-Doks und VR, politisch, weil Polen- und Türkei-Fokus, und das auch noch in der Woche, als Cumhuriyet mundtot gemacht werden sollte, und natürlich übergreifend kulturell, mit Dokus und Animationsfilmen, die sich mit vielen Facetten des gesellschaftlichen Zusammenlebens befassten.

Aber mit dem kleinen Rucksack auf dem Rücken schien die Zugfahrt fast länger als die eigentliche Anwesenheit beim Festival, sodass man gezwungen war, spezifischer als sonst zu wählen. Mediathek-Anwesenheit und Kinobesuche galten dann dem ungewöhnlichen Holocaust-Narrativ „#uploading_holocaust“ (Sagi Bornstein und Udi Nir), der sehr vielseitigen, immens gut besuchten Programm-Reihe „Deutsche Animation 1 und 2“, der Sektion „Disobedient Images“, aber vor allem galten sie den starke Frauen im Dokumentarfilm.
Zum Beispiel in „Belle de Nuit – Grisélidis Réal, autoportraits„, dessen Name schon Programm ist. Schließlich möchte die Regisseurin Marie-Eve de Grave nicht nur aktiv an die Autorin Réal, sondern auch an die Prostituierte Réal, an die Malerin Réal und an die Aktivistin Réal erinnern. An eine Frau, die Schwarze Männer begehrte, eine intellektuelle Kurtisane und Mutter war, die ihre Kinder über alles liebte und sie immer wieder vernachlässigte. Das Resultat ist ein einfühlsames Portrait einer komplexen und zerrissenen Frau und eher eine biografische Skizze als eine geschlossene Lebenserinnerung, die Réal weder verklärt noch in klinische Schubladen zwängt. Und ganz nebenbei erzählt Marie-Eve de Grave, wie ein Buch als eine zärtlich-Beziehung zwischen Herausgeber und Schriftstellerin entstehen kann. Zur Begeisterung setzt sich bisweilen dann kurz der Zweifel – wie kann es sein, dass in einem Film über eine so interessante Frau nur Männer zu Wort kommen?

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