Festival-Bericht Madeira Micro Film Festival (MMiFF) im Dezember 2016

MMiFF: Kontraste in grün


Das Cine Sol ist sicher das nicht komfortabelste Kino der Welt, aber sicher eines der charmantesten. Foto: Roland Owsnitzki

Das Cine Sol ist sicher das nicht komfortabelste Kino der Welt, aber sicher eines der charmantesten. Foto: Roland Owsnitzki

So entschleunigend die Umgebung auch wirkt, leichte Kost und kuschelige Zerstreuung braucht niemand der MMiFF-Besucher erwarten. Das Programm, das konsequenterweise jeden Tag um 18.30 Uhr beginnt, also erst dann, wenn der Ozean die Sonne verschluckt hat, bildet den kulturellen Kontrast zur Vollkommenheit der Natur. Genrekino und Abseitiges, Entdeckungen und Perlen finden sich in der Auswahl. So trifft die belgisch-französische Groteske „Death by Death“ von Xavier Seron auf „Under the Shadow„, Low-Budget-Horror aus dem Nahen Osten. Babak Anvari siedelt sein Werk, das geschickt in Hitchcock-Manier Suspense aufbaut im post-revolutionären Iran und seinen Kriegswirren an. Dort bleiben Shideh und ihre Tochter mit ihren Ängsten zurück, während der Vater an der Front dient. Doch noch furchtbarer als die Gräuel des Krieges, der um sie herum tobt, zehren die eigenen Ängste, die immer weiter Gestalt annehmen, an ihnen. Obwohl der bis zu seinem letzten Drittel äußerst klug erzählte Streifen ein wenig von seiner Linie abkommt, weiß das Werk zu überzeugen.
Das eint ihn mit „Death by Death„, der zeichnet in schwarz und weiß eine Mutter-Sohn-Beziehung mit tiefschwarzem Humor. Darin entwickelt der unglaublich erfolglose Schauspieler Michel als er mit der Krebserkrankung seiner Mutter konfrontiert wird eine absurde Obsession für den Tod. Während sich Mutti mehr um Michels „Geschwister“, die Bande Katzen, mit denen sie das Haus teilt, als um den Sohn sorgt, treibt den die Panik vor einer eigenen Brustkrebserkrankung um.

Die MMiFF-Jury: Antonio Da Camara Manuel, Patricia Barnabe und Miguel Llanso (von rechts nach links). Foto: Roland Owsnitzki

Die MMiFF-Jury: Antonio Da Camara Manuel, Patricia Barnabe und Miguel Llanso (von rechts nach links). Foto: Roland Owsnitzki

Die Wettbewerbsjury, bestehend aus dem Filmschaffenden Antonio Da Camara Manuel, der portugiesischen Vogue-Redakteurin Patricia Barnabe und dem spanischen Regisseur Miguel Llanso, dessen „Crumbs“ im Vorjahr den Preis für den besten Film gewann, entschied sich bei ihrer Preisvergabe aber für die Schweizer Produktion „Aloys“ von Tobias Nölle. Dem sei „ein existenzielles Porträt mit erstaunlichen Hauptdarstellern und einem außergewöhnlichen Dialog zwischen Ton und Bild“ gelungen, begründen die drei die Auszeichnung. Sie würdigten „eine Geschichte des Überlebens, die gänzlich zu einer Liebesgeschichte wird, aufgebaut auf einem schmalen Grat zwischen Realität und Fantasie – eine Geschichte, die Humor und Zärtlichkeit auch in der Einsamkeit findet.“ Schon bei der Berlinale und kürzlich auch in den deutschen Kinos wusste die Außenseitergeschichte zu überzeugen.

Weiterlesen: Unsere ausführliche Kritik „Der Sprung aus dem Kleiderschrank“ zu „Aloys“ von Teresa Vena…

Gegensätze ziehen Menschen an, nur wach müssen sie bleiben. Es ist den Joãos, die ihr grünes Paradies teilen wollen, zu gönnen, dass selbst an solch abgelegenen Flecken der Welt das Kino Zuhause ist – gerade dann, wenn sich mit seiner Hilfe solch wunderbare Welten entdecken lassen.

Denis Demmerle

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