Bericht von der 3. Woche der Kritik in Berlin

WdK 2017: Verloren in der Politik


Die Woche der Kritik im Silent Green Kulturquartier.  Foto: Manuel Schäfer.

Die Woche der Kritik im Silent Green Kulturquartier. Foto: Manuel Schäfer.

Filme mit politischen Inhalten haben zur Zeit Hochkonjunktur bei den internationalen Filmfestivals. In den vergangenen Jahren wurden Werke wie „I, Daniel Blake“, „Dheepan“ oder „Fuocoammare“ in Cannes und Berlin mit den Hauptpreisen ausgezeichnet.
Zur Auftaktkonferenz der 3. Woche der Kritik diskutierte eine Gruppe von Filmschaffenden unter dem Titel „Lost in Politics“ im Silent Green Kulturquartier über die Frage, ob diese Filme möglicherweise durch ihre Inhalte vereinnahmt werden und wie sich politisches Kino gestalten lässt. Während keiner der Diskussionsteilnehmer den vorangehend genannten Filmbeispielen ihren künstlerischen Wert absprechen wollte, bemerkte die Festivalkoordinatorin Azize Tan zu Beginn, dass das Politische im Film vor allem im Festivalkontext zu einem eigenständigen Label geworden sei. Während häufig die Forderung geäußert werde, das Kino müsse politischer sein, heiße dies in der Praxis lediglich, darin klar abgesteckte Thematiken zu verhandeln. Der Philosoph Alexander Garcia Düttmann argumentierte sogar, dass derartige Filme gewissermaßen depolitisiert seien. Das Politische im Kino beginne für ihn an der Stelle, wo unbequeme oder herausfordernde Fragen gestellt werden und die Filmemacher nicht aus einer Absicht, sondern aus einem Impuls heraus agierten. Daran schloss auch Regisseurin Athina Rachel Tsangari („Chevalier“) mit ihrer These an, dass Filme wie „American Honey“ mit der Abbildung des alltäglichen Lebens sogar politischer sein können als jene, die dringende thematische Debatten direkt in ihre Handlung einbinden. Im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale machte Aki Kaurismäkis Autorenfilm „Die andere Seite der Hoffnung“ jedenfalls deutlich, dass man sich der Flüchtlingsthematik auch auf ernsthafte Weise in einer lakonischen Tragikomödie nähern kann, ohne sich bei sozialpolitischer Tristesse bedienen zu müssen.

Weiterlesen: Unsere Kritik „Komplementärfarben der Menschlichkeit zu „Die andere Seite der Hoffnung„…

In den darauffolgenden Tagen setzte sich das Programm der Woche der Kritik im Hackesche Höfe Kino mit vielseitigen Filmen unter thematischen Schwerpunkten wie „Futur“, „Ausbruch“ und „Unfertig“ auseinander.
Eduardo Williams Beitrag „The Human Surge“ vermischte dokumentarische Filmtechniken und Fiktion. Gedreht in Argentinien, Mosambik und den Philippinen folgen analoge und digitale Kameras den Schauspielern in drei Episoden durch ihren scheinbaren Alltagsablauf, während vorbeilaufende Passanten den Filmvorgang auf der Straße interessiert beobachten. Verbunden sind diese Orte auf verschiedenen Kontinenten durch fließende visuelle Übergänge in Form von »Portalen«, die durch Computermonitore oder die Gänge von Ameisenhügeln symbolisiert werden. Das Geschehen entwickelt seine Faszination weniger aus der rudimentären Handlung, sondern aus der tranceartigen Stimmung die Williams ganz im Sinne eines Apichatpong Weerasethakul oder Pedro Costa entwickelt.

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