Bericht von der 3. Woche der Kritik in Berlin

WdK 2017: Verloren in der Politik



„Aroused by Gymnopedies“ von Isao Yukisada versteht sich als Hommage an die „Roman Porno“ Filme des japanischen Studios Nikkatsu. Während dieses in den 1960er Jahren großen Meisterregisseuren wie Shohei Imamura und Underground Ikonen wie Seijun Suzuki eine Platform für ihre ambitionierten filmischen Ideen bot, produzierte es ab 1971 ausschließlich Softpornos, die sogenannten „pinku eiga“. „Aroused by Gymnopedies“ ist in der Gegenwart angesiedelt. Der ehemalige Kunstfilmer Shinji (Itsuji Itao), der mittlerweile als Lehrer tätig ist, dreht einen billigen Erotikfilm für ein kleines Filmstudio. Seine Frau liegt in einem kostspieligen Krankenhaus im Koma und er ist in Geldnöten. Als die Hauptdarstellerin Anri von seinem Filmprojekt abspringt, wird dieses komplett abgesagt. Shinji stürzt sich dabei in eine ganze Reihe von sexuellen Affären mit Schülerinnen, einer Kostümbildnerin und seiner Nachbarin. In einer seltsam anmutenden Mischung aus Drama, Komödie und Sexfilm wirkt vor allem sein dominantes Sexualverhalten befremdlich. Sämtliche seiner Gespielinnen fügen sich ihm unterwürfig und geben sich ihm nach anfänglichem Sträuben hin. Gipfeln tut dies in einem skurrilen filmischen Höhepunkt, in welchem er vor dem Krankenbett seiner Frau eine Krankenschwester vergewaltigt.

Regisseur Mike Ott ("California Dreams"). Foto: Manuel Schäfer

Regisseur Mike Ott („California Dreams“). Foto: Manuel Schäfer

Zu den Höhepunkten der Veranstaltung zählte die Weltpremiere von Mike Otts Indie Komödie „California Dreams“, in deren Zusammenhang das Thema „Unfertig“ debattiert wurde. Vor weiten Panoramen der sonnendurchfluteten kalifornischen Straßen und Landschaften, aber auch im heimischen Umfeld folgt die Handlung in improvisiert erscheinenden Szenen nichtprofessionellen Darstellern auf der Suche nach ihrem erhofften Durchbruch.
Vom Regisseur als „Feature Documentary“ betitelt, steht dabei der Schauspieler Cory Zacharia im Mittelpunkt. Das Werk entfaltet einen subtilen Humor im Stile des Subgenres Mumblecore. Sowohl Mike Ott als auch Cory Zacharia waren bei der Vorführung anwesend, wobei das anschließende Filmgespräch unglücklich strukturiert war.
Ott stellte klar, dass er „California Dreams“ als abgeschlossenen Film und somit nicht als unfertig verstehe und beantwortete auch Fragen, ob er seine Arbeitsweise mit der eines Pedro Costa vergleichen würde, mit einem knappen „Nein“. Im weiteren Verlauf versuchte er mit seinem Hauptdarsteller eine notwendige ironische Brechung und Auflockerung der festgefahrenen geisteswissenschaftlichen Debatte.

Für kommende Veranstaltungen der Woche der Kritik wäre es insofern wünschenswert, wenn die Filmgespräche sich direkter mit den gezeigten Filmen und ihren Machern auseinandersetzen, anstatt selbstzweckhaft eigene Thesen zu präsentieren. Die überaus gelungene Auftaktkonferenz „Lost in Politics“ hat erfolgreich gezeigt, wie dies umgesetzt werden kann.

Henning Koch

Die 3. Woche der Kritik fand von 8. bis 16. Februar 2017 in Berlin statt.

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