BFF on the Road: Nippon Connection 2017

Verloren in Tokyo und fröhliche Endzeitstimmung


Nippon_connection_2017Unter hochsommerlichen Temperaturen fand die 17. Ausgabe des japanischen Filmfestivals Nippon Connection, dem weltweit größten Festival für japanischen Film, in Frankfurt am Main statt. Den pinkfarbenen Plakaten, T-Shirts und Schlüsselbändern folgend, die in der ganzen Stadt verteilt, den Weg zum Festivalgelände im Frankfurter Norden wiesen, konnten die Besucherinnen und Besucher für knapp eine Woche sprichwörtlich in eine andere Welt eintauchen, in der es auch außerhalb der (klimatisierten) Kinosäle um köstliche kulinarische, ausgefallene musikalische und kulturelle Entdeckungen ging.
In freundlicher und entspannter Atmosphäre wurde sowohl für die eingefleischten Liebhaberinnen und Liebhaber des japanischen Films als auch für interessierte Anfängerinnen und Anfänger eine abwechslungsreiche Auswahl aktueller Produktionen aus den Bereichen Mainstream (Sektion Cinema) und Independent (Sektion Visions) geboten. Aber auch Freunde des historischen Films kamen auf ihre Kosten: In diesem Jahr widmete sich die Retrospektive einem etwas jüngeren Phänomen des japanischen Kinos, dem so genannten „Roman-Porno“, einer in den 1970er bis Ende der 1980er Jahren hinein sehr populären Form erotischer Spielfilme, die sich vor allem durch ihre aufwändigen Produktionen und ihren ganz eigenen Witz auszeichneten.

Einer der lang erwarteten filmischen Höhepunkten des Festivals, war jedoch „Shin Godzilla„, der 2016 in Japan ins Kino kam, seitdem schon Zuschauerrekorde einfuhr und nun in ausgewählten Kinos durch Europa tourt. Der Film ist besonders deswegen so interessant, weil es die erste japanische Godzilla-Produktion seit der Dreifachkatastrophe von 2011 ist und daher Referenzen sowie eine gehörige Portion Sozialkritik wohl unumgänglich sind. Godzilla, das war ja niemals einfach nur ein Monster, sondern vielmehr metaphorische Projektion und Verarbeitung eines nationalen Traumas, einer historischen Niederlage und tiefen Verletzung. Godzilla ist die personifizierte Angst vor der zerstörerischen Energie der Atombombe, aber auch Sinnbild der menschlichen Hybris, des Vertrauens in die Technik und des Glaubens, dass man sich diese zerstörerische Macht risikolos zu eigen machen kann. – Ein absoluter Irrglaube, wie die Erfahrung der Dreifachkatastrophe von Fukushima zeigt.

Weiterlesen: Unsere Kritik „Der Mensch ist gefährlicher als jedes Monster“ zu „Shin Godzilla“ von Hideaki Anno und Shinji Higuchi…

In ähnlich sozialkritischer Weise, mit gesteigerter Lust an der Zerstörung sowie einer gehörigen Prise Humor vertrat Shinsuke Satos „I Am A Hero“ das Horrorfach auf dem Festival. Der Plot dieser apokalyptischen Zombiekomödie ist klassisch: Ein Virus befällt die japanische Bevölkerung und verwandelt sie in blutrünstige Zombies. Wer gebissen wird, wird angesteckt. Interessant dabei ist, dass die Erkrankten nicht nur ausgeprägte Gelüste auf menschliches Fleisch entwickeln, sondern in einer gedanklichen Schleife gefangen sind und immer genau die Aufgaben ausführen möchten, mit denen sie zuletzt beschäftigt waren: Blutverschmierte Fahrkartenkontrolleure irren dienstbeflissen und hungrig auf den Gleisen herum und sich schon zersetzende Verkäufer wiederholen ununterbrochen ihr „Irasshaimase“ / „Herzlich Willkommen“.

Nachdem Hideo, ein erfolgloser Comiczeichner und sympathischer Verlierertyp sich sowohl seiner Kollegen, als auch seiner Freundin (mit der es gerade eh nicht so gut lief) erwehren muss (und das ist jetzt eine eher euphemistische Formulierung, denn die Zombies können nur durch die gezielte Zerstörung der Kopfpartie getötet werden…), hilft nur noch die Flucht aus der Stadt, hinauf aufs nationale Wahrzeichen, den Fuji. In der Höhe kann der Virus nicht überleben. Doch bis dorthin ist der Weg lang und steinig und es gilt sich nicht nur gegen eine Meute hungriger Zombies, sondern auch unkooperativer menschlicher Überlebender durchzusetzen.

Weiterlesen: Unsere Kritik „Volle Fahrt voraus!“ zu „Train To Busan“ von Sang-ho Yeon.

I Am A Hero“ gehört zu den absoluten Höhepunkten des Festivals. Erinnert zum Teil an die ersten Staffeln „The Walking Dead“, schwächelt im Vergleich zum südkoreanischen Meisterwerk „Train To Busan“ jedoch ein wenig am sozialkritischen Aspekt, bleibt die Geschichte doch allzu sehr in ihrem relativ konventionellen Mustern verhaftet. Doch insgesamt amüsiert der Film und vor allem das Finale lässt das Herz eines jeden Splatter-Filmfans höher schlagen.

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