1. moving history – Festival des historischen Films in Potsdam

moving history: Zwischen Mythos und Faktensuche


moving_history_2017
Das Filmfestival als politischer Ort: Man hat das Gefühl, dass sich gerade in Zeiten der Zunahme globaler Verunsicherungen immer mehr Festivals als Katalysator der stattfindenden Diskurse verstehen. Das in diesem Jahr vom 20. bis 24. September zum ersten Mal stattfindende „moving history – Festival des historischen Films“ macht da keine Ausnahme und hat sich doch einer speziellen Form der Momentaufnahme verschrieben: Dem Film als Zeitdokument. Von nun an soll jährlich eine bestimmte zeitliche Epoche im Fokus stehen und in diesem Jahr findet das Festival anlässlich von 50 Jahren Studentenunruhen und 40 Jahren Deutscher Herbst unter der Headline „Keine Stille nach dem Schuss – 1967, der Deutsche Herbst und die RAF“ statt. Dass die historischen Ereignisse nachwirken und deswegen genau einer solchen filmischen Bestandsaufnahme bedürfen, zeigt nicht zuletzt die Diskussion nach G20, in der vermeintlich überholte Stereotype angenommener linker und linksextremer Positionen wild durcheinander geworfen wurden.

„moving history“ lässt dabei möglichst viele Seiten aus 50 Jahren Filmgeschichte zu Wort kommen, nicht nur mit Blick auf Täter und Opfer, sondern auch auf den Umgang der Gesellschaft mit den Ereignissen. Dabei stehen so disparate Positionen wie Ali Limonadis Abschlussfilm an der Hochschule für Bildende Künste, „Das Abonnement„, der Gudrun Ensslin zur Muse stilisierte, neben Dokumentationen, die zum gleichen Zeitpunkt 1967 versuchen, die Geschehnisse um den Tod Ohnesorgs dokumentarisch und möglichst wertneutral zu fassen (Roman Brodmanns „Der Polizeistaatsbesuch„). Mit dabei sind auch die im Kino viel beachteten Produktionen „Die innere Sicherheit“ von Christian Petzold oder Volker Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuss“ und zahlreiche TV-Filme, die oft auf den besten Sendeplätzen zu einer besonderen medialen und auch gesellschaftlichen Politisierung beitragen und beigetragen haben.

Ein besonderes Highlight ist die Preview der wohl jüngsten Auseinandersetzung mit dem Linksterrorismus: Dominik Grafs Tatort „Der Rote Schatten“ in Anwesenheit des Regisseurs (Ausstrahlungstermin: 15. Oktober 2017/ ARD). Darüber hinaus wird auf der theoretischen Ebene die Darstellung des Terrorismus und seiner Protagonisten im wissenschaftlichen Symposium „Re-Framing RAF –Terrorismus in der audiovisuellen Erinnerungskultur“ beackert, zwei Werkstattgespräche geben Einblicke in die Entstehung aktueller Produktionen, die sich mit dem Mythos des „Sympathisanten“ und der Gründung des sozialistischen Patientenkollektivs (SPK) befassen, und Margarethe von Trotta, die gleich zwei Filme zum Thema RAF realisiert hat, vermittelt in einer Masterclass ein Gespür für die schwierige Umsetzung historischer Charaktere.

Marie Ketzscher

moving history – Festival des historischen Films in Potsdam von 20. bis 24. September 2017 in diesen Veranstaltungsorten: Filmmuseum Potsdam, Filmuniversität Babelsberg Konrad-Wolf, Zentrum für zeithistorische Forschung, historische Gewölbehalle im Kutschstall Potsdam

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