Interview mit Adrian Goiginger und Verena Altenberger zu „Die beste aller Welten“

Goiginger: "Ein Kind, das Abenteurer werden will und seine Mutter liebt"



Deine Geschichte hat auf dem Weg eine Entwicklung genommen. Kannst du die beschreiben?
AG:
Die Welt, in der der Film spielen soll, war mir schon immer klar. In der ersten Version war die Mutter jedoch nur eine Nebenfigur und es ging viel mehr um den kleinen Adrian und wie er langsam aber sicher auf die schiefe Bahn gerät. Das wäre dann sowas wie „La Haine“ in Salzburg mit 7-jährigen Kindern gewesen. Zigaretten rauchen, Eltern bestehlen, Tankstellen beklauen, Mitschüler verprügeln und alles, was man sonst noch in einer sozialen Brennpunktsiedlung erlebt. Das war eine spannende Facette meiner Kindheit, die ich im Film ja jetzt nur streife.
Im Laufe der Drehbuchentwicklung hab ich gemerkt, dass der spannendste innere Konflikt in der Mutter liegt. Sie schafft es trotz ihrer Depression und Abhängigkeit, die beste Mutter der Welt zu sein. Deswegen hab ich beschlossen, die Geschichte der Mutter aus der Sicht des Kindes zu erzählen. Dadurch sind die meisten extremen Kinderszenen weggefallen.

Wie verändert das die Kameraarbeit?
AG:
Die kindliche Perspektive gab definitiv vor, wie die Kamera zu sein hatte. Relativ niedrig, unabhängig, dynamisch. Wenn sich ein Kind langweilt, schaut es weg, lässt die Augen schweifen, bis es etwas Interessantes erspäht. So haben wir die Kamera angelegt. Wir drehten auch nur On-Location, also ohne Studio, weil es uns wichtig war, dass die Kamera jederzeit 360° schießen kann. Da ich nicht streng nach Drehbuch inszeniert habe, sondern den Schauspielern immer den Freiraum und die Möglichkeit gegeben habe zu improvisieren, war das notwendig.
Den Kameramännern Yoshi Heimrath und Paul Sprinz war es zum Beispiel sehr wichtig, dass Jeremy Miliker theoretisch in einem Take ungeplant aufstehen und in ein anderes Zimmer gehen könnte. Solche Sachen sind beim Drehen passiert und die Kamera konnte ihm wirklich in den anderen Raum folgen ohne unterbrechen zu müssen. Für das Drehen mit einem Kind war das natürlich traumhaft.

Man hat das Gefühl, dass deine Kindheit ein großes Abenteuer für dich war. Die richtige Katastrophe kommt für dich erst, als du in den Hort musst. Wann ist dir die ganze Tragweite bewusst geworden und hast du deinen Eltern je Vorwürfe gemacht?
AG:
Erst einige Jahre nachdem sie clean waren, habe ich ich wirklich verstanden, was damals abging. Vorwürfe hab ich meinen Eltern nie gemacht, da sie keine andere Wahl hatten. Sie waren gefangen in ihrer Krankheit (Depression) und Heroin war für sie der einzig mögliche Ausweg.

Die_beste_aller_Welten_PlakatDer kleine Jeremy Miliker spielt seine Rolle grandios. Wie verlief die Arbeit mit ihm und wie schwierig war es, ihm das Thema Drogensucht kindgerecht zu vermitteln?
AG:
Für die Rolle des siebenjährigen Adrian haben wir gut zwei Monate gecastet und uns rund 200 Kinder angesehen. Es brauchte fünf Castingrunden, bis Jeremy als Adrian feststand. Im Endeffekt war es eine klare Entscheidung – bei ihm hat wirklich alles gepasst. Das Entscheidende war seine Fähigkeit, sich in fiktive Situationen emotional hineinzuversetzen. Das ist eine Gabe, die nicht viele haben, und meiner Meinung nach bei Kindern die einzige Möglichkeit, um sie zu guten Leistungen zu bringen. Sie haben noch keine Technik, mit der sie fehlendes Talent kaschieren können.
Insgesamt haben wir noch ein halbes Jahr geprobt, damit Verena und Jeremy ein authentisches Paar werden. Meistens hab ich extra Szenen geschrieben oder Situationen für die beiden vorbereitet. Mit jedem Mal wurde es weniger Spielen und mehr „Sein“. Am ersten Drehtag waren beide ein Herz und eine Seele. Was toll war, denn ich wusste von vornherein, dass der Film mit einer glaubhaften Liebesbeziehung zwischen der Mutter und dem Sohn stehen oder fallen wird.
Das Thema Drogensucht habe ich überhaupt nicht vermittelt. Ich habe versucht, Jeremy von dem wegzuhalten und ihm nur das zu sagen, was er für sein Spiel braucht: Dass er ein Kind ist, welches Abenteurer werden will und seine Mutter liebt.

Verena Altenberger (VA):Die beste aller Welten“ erzählt die Geschichte aus der Sicht des siebenjährigen Adrian, der damals noch nicht verstanden hatte, dass seine Mutter drogenabhängig ist bzw. was das bedeutet. Insofern mussten wir auch Jeremy nicht mit diesem Thema konfrontieren – im Film ist der direkte Konsum der Droge auch nur einmal aus der Entfernung zu sehen. Ansonsten symbolisiert die verschlossene Schlafzimmertür den Konsum. Die verschiedenen Zustände, die meine Rolle Helga durchmacht, habe ich immer anders erklärt: Mal war ich besonders müde von der Arbeit, mal war ich kraftlos, und musste einen speziellen Zaubertrank trinken, um wieder zu Kräften zu kommen, der in der Erwachsenenwelt Opium-Tee war.

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