Interview mit Adrian Goiginger und Verena Altenberger zu „Die beste aller Welten“

Goiginger: "Ein Kind, das Abenteurer werden will und seine Mutter liebt"


Verena Altenberger und  Jeremy Miliker geben gemeinsam ein beeindruckendes Mutter-Kind-Duo. © Filmperlen

Verena Altenberger und Jeremy Miliker geben gemeinsam ein beeindruckendes Mutter-Kind-Duo. © Filmperlen

Verena, Jeremy Miliker und du spielt sehr überzeugend und wirkt sehr glaubwürdig als Mutter und Sohn. Wie verlief deine Zusammenarbeit mit Jeremy?
VA:
Ich war von Anfang an bei den Kindercastings dabei und habe Jeremy insofern sehr früh kennen gelernt. Als er besetzt war, hatten wir fast ein halbes Jahr Zeit, um uns richtig gut aufeinander einzustimmen. Wir haben uns mindestens zwei Mal pro Woche getroffen, waren Fußball spielen, im Museum oder haben einfach zusammen ferngesehen. Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich angefangen, spielerisch Filmszenen mit ihm zu improvisieren. Zum Beispiel haben wir einmal Pfandflaschen gesammelt, bis wir genug Geld hatten, um uns zu Mittag Nudeln mit Ketchup zu kaufen. So ähnlich kommt es auch im Film vor. Irgendwann haben wir uns sogar nur noch Adrian und Mama genannt. Am ersten Drehtag war unsere Verwandlung in Mutter und Sohn bereits perfekt vollzogen.

Adrian, dein Stiefvater arbeitet mittlerweile mit Drogensüchtigen. Inwiefern kann dein Film einen Beitrag leisten? Hast du vor, den Film an Schulen zu zeigen?
AG:
Wir planen auf jeden Fall, den Film an Schulen und bei sozialen Stellen und Suchtpräventionstreffen zu zeigen. Ob der Film den gewünschten Effekt erzielt, wird man sehen. Unabhängig davon war es mir wichtig, ein anderes Bild auf das Milieu und die Wahrnehmung der Süchtigen zu werfen. Meistens werden sie von der Gesellschaft nur als Ballast und Geschwür angesehen, dabei sind sie Menschen wie jeder andere, die nur denken, ihre Probleme mit anderen Mitteln lösen zu können.

Salzburg ist weltbekannt als Mozarts Geburtsstadt. Man stellt sich eine alte, idyllische Stadt wie aus dem Bilderbuch vor. Allerdings gibt es ein großes Drogenproblem, das von Politikern offenbar verdrängt wird. Kannst du mit deinem Film ein Zeichen setzen?
AG:
Gerade in das Stadtbild der Festspielmetropole Salzburg passen Heroinsüchtige nicht herein. Deswegen wird alles versucht, das Problem möglichst zu ignorieren und die Leute an den Stadtrand zu schieben, wo die Mieten billig sind. Viele Leute die nicht aus Salzburg kommen, können sich gar nicht vorstellen, dass es bei uns so „zuageht“.
Mir war es wichtig, auch diese Seite von Salzburg, die abseits des Glamours stattfindet, zu zeigen.
VA: Ich finde es toll und wertvoll, dass „Die beste aller Welten“ ein anderes Salzburg zeigt, abseits der Postkartenidylle. Diese Welt existiert neben dem Glamour überall auf der Welt und ich würde mir wünschen, dass das Publikum den liebenden Blick spürt, den wir auch auf diese Teile unserer Heimatstadt richten.

Verena, du bist eine sehr vielseitige Schauspielerin. Man kennt dich z.B. aus der erfolgreichen Comedyserie „Magda macht das schon„, in der du eine polnische Altenpflegerin spielst. Warst du gleich begeistert, als das Angebot für die Rolle der drogensüchtigen Helga in „Die beste aller Welten“ kam, oder hast du lange überlegen müssen?
VA:
Nachdem ich das Drehbuch gelesen und Regisseur Adrian Goiginger kennen gelernt hatte, stand für mich fest: Ich möchte diese Rolle spielen. Dass sie mir allerdings physisch wie psychisch viel abverlangen wird, war mir klar. Es war die Rolle mit der höchsten Fallhöhe, die ich bis dato spielen durfte. Entsprechend viel Zeit und Aufwand habe ich die Vorbereitungen und in die Recherche gesteckt.

Deine schauspielerische Leistung ist sehr beeindruckend. Wie hast du dich an die Rolle einer Drogenabhängigen angenähert? Hast du dich mit Betroffenen getroffen?
VA:
Ich habe mich sozusagen von außen nach innen vorgearbeitet: Zuerst ging ich zu Ärztinnen, um auch die physischen Auswirkungen des Heroinkonsums zu verstehen und spielen zu können. Ich musste wissen, wann geht mein Puls schneller, wann werde ich müde, wann schwitze ich und was machen meine Pupillen. Dann war ich viel bei Suchtberatungsstellen und habe ehemalige Süchtige kennengelernt. Ausgestattet mit diesem Wissen und Verständnis bin ich dann auch wirklich rein in die Szenen in München und in Salzburg. Teilweise habe ich einfach am Bahnhof Süchtige angesprochen. Mein größtes Glück war es, auf Menschen zu treffen, die es gut fanden, dass ich so genau hinschauen möchte. Sie haben mir ihre Geschichten erzählt, mich teilweise zu sich nach Hause eingeladen und ein Stück weit an ihrem Alltag teilhaben lassen. So konnte ich ein großes Verständnis entwickeln.

Wie hast du dich körperlich für die Rolle verändern müssen?
VA:
Auch körperlich musste ich Einiges investieren: Ich habe sieben Kilo abgenommen, mich über ein halbes Jahr nicht mehr rasiert, die Augenbrauen nicht gezupft, war nicht beim Frisör oder bei der Maniküre. Ich habe mich gehen lassen. Unser Maskenbildner Tim Scheidig hat den Rest übernommen: schlechte Zähne, unreine Haut, spezielle Kontaktlinsen. Es war für mich eine sehr befreiende Erfahrung, eine äußerlich „hässliche“ Rolle zu spielen.

Die Fragen stellte Stefanie Borowsky für Berliner Filmfestivals.

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