Interview mit Shin Dong-seok, Regisseur von „Last Child“

Shin Dong-seok: Emotionale Regungen werden als Schwäche ausgelegt


Aus Korea kommt das Familiendrama "Last Child", das Debüt von Shin Dong-seok. © ATO Co. Ltd.

Aus Korea kommt das Familiendrama „Last Child“, das Debüt von Shin Dong-seok. © ATO Co. Ltd.

In Ihrem Film tritt ein starker weiblicher Charakter auf, die Rolle der Mutter. Wie haben Sie die Figur entwickelt?
Shin: Es war mir wichtig, über die Mutter den ganzen Schmerz über den Verlust eines nahestehenden Menschen zu zeigen. Sie sollte Willenskraft, Ausdauer und auch Empfindsamkeit ausdrücken.

Im koreanischen Kino werden kaum Hauptrollen von Frauen gespielt. An sich sind wenige Frauenfiguren präsent, wenn sie nicht als Mutter oder Prostituierte gezeigt werden. Glauben Sie, dass es die Gesellschaft so will? Findet eine Diskussion über eine ausgeglichenere Darstellung der beiden Geschlechter statt?
Shin: Frauen sind im koreanischen Kino vor und hinter der Kamera unterrepräsentiert. Da ist der Film ein Spiegel der Gesellschaft. Es liegt an der Geschichte des Landes. Die Kriege, die Industrialisierung und der gesamte Aufbau zur wettbewerbsfähigen Nation werden den Männern als Verdienst zugesprochen. Sie sind die Macher, sie tragen die Verantwortung und stehen im Vordergrund. Deswegen ist es auch ihre Geschichte, sind es ihre Probleme und Erfolgsgeschichten, die in den Filmen erzählt werden. Noch ist keine entscheidende Wendung in diesem Punkt sichtbar.

Wie war die Resonanz für „Last Child“ beim Publikum und können Sie Unterschiede zwischen dem koreanischen und dem deutschen Publikum feststellen?
Shin: Die Reaktionen waren bisher insgesamt positiv, soweit ich es beurteilen kann. Ich bin auf die Menschen angewiesen, die sich direkt äußern und muss davon ausgehen, dass sich vor allem die melden, die den Film mochten. Der Film kam in Korea noch nicht in die offizielle Kinoauswertung, das wird vermutlich im Herbst 2018 sein. Aber er lief auf verschiedenen Festivals. Ich habe das Gefühl, dass das Publikum auf der Berlinale den Film sehr ernst nimmt, mit Neugier und Geduld schaut.

Wie ist der Stand für unabhängige Autorenfilme in Korea?
Shin: Die Filme können auf eine große Liebhabergruppe zählen, weswegen die Produktionsbedingungen positiv sind. Es gibt Verleihe, die sich auf die Förderung und den Vertrieb von Autorenfilmen spezialisiert haben und entsprechend gute Arbeit leisten. Dass „Last Child“ in Berlin lief, wird dem Film vermutlich eine größere Aufmerksamkeit auch in Korea bringen.

Gibt es Filmautoren, die Sie besonders inspirieren?
Shin: Ja, vor allem Uli Seidl, Michael Haneke, die Brüder Dardenne, Jane Campion oder David Fincher.

Die fragen stellte für Berliner Filmfestivals Teresa Vena.

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