Interview zu „Wildes Herz“ mit Charly Hübner und Sebastian Schultz

"Es geht nicht darum zu bekehren"



Die Szenen aus Monchis Hooligan-Vergangenheit sind schwer zu verdauen, aber der Film bekommt eine schöne Kurve, wie auch Monchi selbst, der sich dem entzieht und sich politisiert.
C.H.:
Die Band erzählte uns von der Frage, der sie täglich als Jugendliche begegneten –Sind sie politisch rechts, links oder neutral? Wenn sie sich für links entscheiden, haben sie klare Gegner und das ließen und lassen die sie wiederum spüren, täglich, und entweder geht man einfach weg, verlässt seine Eltern und seine Heimat oder man bleibt. Wenn man das nicht kann, weil man an seiner Heimat hängt oder ähnliches, muss man sich mit den Problemen auseinandersetzen, jeden Tag. Allein oder in einer Gruppe! Da war in der Ultraszene von Hansa Rostock was zu finden, wo dieser extrem charismatisch, potente Mensch Jan Monchi sich spürt. Danach wollte er einfach nur Mucke machen. Die ersten Texte, da ging’s um’s Saufen und um Geschlechtsverkehr. Auf einmal stehen da Typen, die grölen die Lieder mit, sind aber die, die am Tag vorher irgendwelche Flüchtlingsheime angezündet haben oder ähnliches. Da mussten sie sich wieder entscheiden! Und auch schauen, wie sie heile nach Hause kommen.

Jan „Monchi“ Gorkow ist kein Ort zu klein, wenn es heißt, sich dort lautstark gegen Nazis zu stellen. © Neue Visionen Filmverleih

Jan „Monchi“ Gorkow ist kein Ort zu klein, wenn es heißt, sich dort lautstark gegen Nazis zu stellen. © Neue Visionen Filmverleih

Beim DOK Leipzig lief der Film bereits, es gab auch eine Schülervorstellung. Wie haben die Jugendlichen auf den Film reagiert?
Se.S.:
Da waren nicht nur Fünfzehn- und Sechzehnjährige im Saal, sondern auch Achtzehn- und Zwanzigjährige, die mit verschränkten Armen, kritisch angefangen haben den Film zu gucken, keinen Bock hatten, aber mussten. Irgendwann haben die sich entspannt, geflüstert und waren gebannt am Ende. Die letzte Frage im Q&A war, warum wir den Film nicht schon vor der letzten Bundestagswahl gezeigt hätten. Dann hätte die Schülerin, die die Frage gestellt hat, das Kreuz wo anders gemacht. Ich dachte, die wird vielleicht die CDU gewählt haben, aber eine Freundin von uns, die neben ihr saß, meinte die hat klar AfD gewählt. Das finde ich interessant. Da ist eine gewisse Enttäuschung drin im Wahlverhalten und Protest, aber man kann die noch erreichen.

Der Film endet quasi in einer Niederlage, als die Band sich das Ergebnis der letzten Landtagswahl in Mecklenburg Vorpommern 2016 anschaut…
C.H.:
Es ist die Realität.
Se.S.: Es geht nicht darum zu bekehren, gerade bei Monchi, auch im Film nicht. Deshalb haben wir konfrontative Szenen mit Rechten auch überhaupt nicht in Betracht gezogen. Ich sehe das nicht so direkt als Niederlage am Ende. Das Wahlergebnis ist das eine, aber das, was sie in der Zeit da geschafft haben, ist für mich ein voller Erfolg. Also nicht nur in Anklam, sondern mit den Leuten vor Ort was gerissen zu haben. Die haben dafür eine sehr gute Energie.

Die Fragen stellte Janine Seiler für Berliner Filmfestivals.

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