BFF on the Road: Solothurner Filmtage 2019

Fokus auf die Schweiz: Käse, Uhren und Schokolade - aber Film?


„Das Höllentor von Zürich“ überzeugte. Foto: Solothurner Filmtage

Betrachtet man die aktuelle Produktion von Dokumentarfilmen, entsteht der Eindruck, dass dieser zurzeit kränkelt. Auffällig ist eine Tendenz zum pädagogischen Tonfall und zur Selbstdarstellung der Autoren. Mehrere Beiträge, vor allem gestandener Regisseure, wirken wie peinliche und anstrengende Nabelschauen. Dies äußert sich in der Verwendung von Erzählstimmen, in der Ich-Form mit betulicher oder selbstzufriedener Kadenz („La separation des traces„, „Genesis 2.0„). Aber auch mit expliziten Bezügen zu Autobiografischem, das vielfach dem Hauptthema des Films keinen Mehrwert verleiht („Welcome to Zwitscherland„). In „Architektur der Unendlichkeit“ von Christoph Schaub beispielsweise sinniert der Erzähler einer eigenen spirituellen Empfindung nach, während das Bild spielende Kinder, Landschaftsaufnahmen und vor allem Interviews mit Architekten wiedergibt. Die Architektur spielt visuelle keine Hauptrolle. Der Film bleibt als eine Altherren-Bauchbepinselung in Erinnerung.

Doch um auf den Spielfilm zurückzukehren: Die Wahrnehmung im Ausland ist wahrlich bescheiden. Ein anwesender britischer Filmkritikerkollege bemerkte, dass ihm nicht aufgefallen sei, dass in den letzten dreißig Jahren jemals ein Film Schweizer Produktion eine Kinoauswertung in Großbritannien gehabt hätte. Dabei erstaunt ihn, dass nicht einmal ein Film wie „Die göttliche Ordnung“ von Petra Volpe, in der die späte Einführung des Frauenstimmrechts (1971) in der Schweiz thematisiert wird, mit seinem eindeutigen politisch relevanten Potenzial und einer gewissen exotischen Note, seinen Weg in den internationalen Markt gefunden hat.
In Deutschland fand der Film zu einer gewissen Aufmerksamkeit und er wurde von verschiedenen internationalen Festivals eingeladen. Als Botschafter des Schweizer Films bringt er Probleme mit sich, da er ein klischiertes Bild der Schweiz bestärkt und befeuert. Natürlich ist es kurios, dass in der Eidgenossenschaft das Frauenstimmrecht so spät eingeführt worden ist, doch ruht das genau in der geschätzten politischen Form der direkten Demokratie. Die verschiedenen Kantone der Schweiz waren schon damals souverän, es gab keinen Zentralstaat, der die Gesetze auf den gesamten Staat durchsetzte.

Zwei ähnlich motivierte Filme mit einem ähnlich großen Budget und einer ähnlich ausgeprägten Werbekampagne feiern zurzeit Erfolge in den heimischen Kinos. Die Zuschauerzahlen von „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ von Michael Steiner und „Zwingli“ von Stefan Haupt erreichen den sechsstelligen Bereich. Es ist zweifelhaft, ob sich der Erfolg dieser beiden Filme auf das Ausland übertragen lässt. Selbst über die deutschsprachige Schweiz hinaus, wird sich vermutlich ein weitaus geringeres Interesse bemerkbar machen. Zum einen basiert Steiners klamaukreiche Coming-of-age-Komödie im (kaum existierenden) jüdisch-orthodoxen Milieu Zürichs auf den gleichnamigen, erfolgreichen Roman des Zürchers Thomas Meyer, zum anderen porträtiert „Zwingli“ eine historische Schweizer Figur, die trotz wichtiger Stellung während der Reformation kaum über die Schweiz hinaus bekannt ist. Beide Filme weisen grobe künstlerische Mängel auf, es fehlt ihnen an Originalität, Spannung und einem besonderen visuellen Konzept. Markant erscheint die Diskrepanz vor allem bei „Zwingli“ zwischen der Meinung der Kritik (um eine der nüchternsten zu zitieren „so spannend wie ein Wikipedia-Eintrag“ von Denise Bucher in der NZZ am Sonntag) und dem Publikumserfolg.

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