Ein Blick in die Zukunft der Berlinale

Berlinale 2020: Der König ist tot, es lebe der König


Nach 18 erfolgreichen Jahren tritt Dieter Kosslick (links, hier bei „seiner“ letzten Preisverleihung) ab. © Alexander Janetzko, Berlinale 2019

Zugegeben, das Bild ist schief und deutet in eine zu dramatische Richtung, Dieter Kosslick ist bester Gesundheit und die ist ihm auch von Herzen zu wünschen! Gleichzeitig gestaltet kein einzelner König (aka Festival-Direktor) die Zukunft der Berlinale, sondern ein Duo, bestehend aus Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek. Chatrian, unter dem sich das Festival von Locarno prächtig entwickelte, tritt als Künstlerischer Leiter des Programms an, Rissenbeek kümmert sich als Geschäftsführerin um die wirtschaftliche Seite der Berlinale.
Die Fußstapfen von Kosslick sind riesig, wuchs das Filmfestival unter seiner Leitung doch um ein Vielfaches an, was Besucherzahlen und Etat angeht, aber auch die Anzahl der Filme, Screenings und Sektionen. Eine Aufgabe, die für einen Einzelnen nur schwer zu meistern ist, von daher könnte sich die neue Ausrichtung durchaus als richtig erweisen.

Es scheint als hätte sich die Doppelspitze viel vorgenommen – und das auch gut vorbereitet, denn der Wandel der sich gerade vollzieht, kommt ohne großes Getöse aus – und das obwohl es Potential dafür en Masse gibt.
Die 70. Berlinale, die erste unter den neuen Leitung, wird nicht viel mit der gerade beendeten gemein haben, darauf deuten all die kleinen Meldungen hin, die weitgehend unkommentiert bleiben, aber ein Bild ergeben, was alles andere als ein „Weiter-so“ verspricht.

Neuer Termin nach den Oscars

Die 70. Berlinale rückt gut zwei Wochen tiefer in den Februar und beginnt am 20. Februar 2020 – und findet damit nach den Oscars statt, die vorverlegt wurden und mit denen die Promo-Aktivitäten der US-Filmschaffenden enden. Die so genannte „award season“ beginnt im Herbst und endet mit der Preisverleihung, dem ordnet sich die amerikanische Branche unter, sind die Oscars doch der wichtigste Filmpreis der Welt und bares Geld wert.

Mit dem neuen Termin hat die Berlinale deutlich bessere Aussichten wieder wichtigere amerikanische Filme und größere US-Superstars in Berlin begrüßen zu dürfen als in den letzten Jahren, wo nur Kosslicks Kontakte, Bemühungen und Wissen um die Macht der Bilder für Gäste der A-Kategorie sorgten. In diesem Jahr schlenderte immerhin kein Geringerer als Christian Bale über den Roten Teppich.
Chatrian und Rissenbeek können nun die Konkurrenz aus Cannes in Kampf um die ersten Kandidaten der folgenden Oscar-Saison unter Druck setzen – und hoffentlich auch von Berlin und seinen Vorzügen überzeugen. Einen Strand und steten Sonnenschein wird die Stadt auch weiterhin nicht zu bieten haben, aber das Publikumsfestival hat andere Vorzüge. Diese in Szene zu setzen dürfte die größte Herausforderung der Doppelspitze sein.

Das Herzstück, der Wettbewerb, war in den letzten Jahren mit zu vielen zu durchschnittlichen Werken vollgestopft, wie überhaupt die Berlinale unheimlich aufgeblasen wurde. Fast 400 Filme zeigte das Filmfest in den zurückliegenden zehn Tagen mal wieder. 400! Auch wenn jedes Jahr viele gute oder wenigstens künstlerisch bemerkenswerte Filme entstehen, vierhundert davon sind nicht aufzutreiben. Einige sind und waren Mist.
Das bemerkt auch das Publikum, das in Berlin zwar immer noch in Scharen in die Berlinale-Kinos strömt und durchaus bereit ist, sich auf Neues einzulassen, aber die frühere Jagd nach dem nächsten Zuschauerrekord ist längst beendet und die Schlangen vor den Kassen am Potsdamer Platz verkürzen sich nach dem ersten Festival-Wochenende deutlich. Die Marke von um die 330.000 Besuchern scheint eine Grenze zu markieren. Es wird spannend zu beobachten sein, ob diese zu halten ist, wenn das Programm ausgedünnt wird, wovon man ausgehen sollte.

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