Bericht vom 16. Fußball Film Festival 11mm in Berlin

11mm 2019: Nicht unverwundbar


Afrooz ist auf dem Futsal-Parkett kaum zu stoppen, im Leben blockiert sie ihr Ehemann… Foto: 11mm

11mm bewies wieder einmal wie viel mehr als nur Sport oder Spiel Fußball sein kann. Für einen herausragenden Fußballfilmjahrgang stehen neben „Nossa Chape“ auch die beiden anderen Gewinner des Filmfests, der Shortkicks-Gewinnerfilm – so nennt 11mm seinen Kurzfilm-Wettbewerb – „Nefta Football Club“ und der iranische „Cold Sweat“ (OT: „Aragh-e-Sarg„), der erste Spielfilm der Festivalhistorie, der sich über den Publikumspreis „Goldene 11“ freuen durfte und so sogar gegen die traditionell starken dokumentarische Werke die Gunst der Zuschauer errang.

Die beiden Gewinner eint die Fähigkeit, über den Fußball wichtige Themen aus anderen Kulturen zu erzählen, was generell eine Stärke der 11mm-Programmauswahl ausmacht. Mal leichtfüßig wie in „Nefta Football Club„, wo zwei kleine Brüder im Grenzgebiet zwischen Algerien und Marokko eine fehlgeleitete Drogenladung finden, die ihnen letztendlich nicht zu Reichtum, dafür aber zu einem guten Match verhilft. Oder ernst, wie im Publikumspreis-Gewinner „Cold Sweat„. Afrooz, Kapitänin der iranischen Futsal-Nationalmannschaft und Star des Teams, erfährt kurz vor Abflug am Flughafen, dass ihr Mann ihr die Ausreise untersagt. Im iranischen Patriarchat kann er das, obwohl das Paar schon Monate in Trennung lebt. Ihr Traum von der Karriere und einem selbstbestimmten Leben im spanischen Ausland platzt kurz vor Ausreise. Ihr Kampf gegen den Staat, dessen Farben die junge Frau auf dem Parkett repräsentieren wollte und der sie bereitwillig opfert, scheint ebenso hoffnungslos wie der gegen ihren Mann, den populären Moderator einer großen Fernsehshow. „Cold Sweat“ feierte bei 11mm Premiere und war Teil der Programmreihe „Frauen im Fußball“.

Den Kampf gegen eine von Männern dominierte (Fußball-)Welt nimmt auch Helena Mikkelsen als Trainerin in der norwegischen Serie „Heimebane“ („Homeground„) auf. Filme konkurrieren immer häufiger mit Serien, so heißt es – und auch 11mm erweitert sein Programm mit der aktuellen Ausgabe um die populäre Form. Das Festival zeigt die ersten beiden Episoden, die begeistern. Als erste Trainerin eines Herrenteams in der ersten norwegischen Liga kämpft Mikkelsen mindestens ebenso sehr gegen die Mechanismen des Profi-Geschäfts wie gegen den von rückständigen Männern dominierten Fußball. „Heimebane“ greift dieses, aber auch andere große Themen wie den Einfluss von Fans auf „ihren“ Verein, Eifersüchteleien der Spieler und den knallharten Ergebnisdruck auf, blickt aber noch klüger auf die Leben ihrer Protagonisten, die nicht mit Anpfiff beginnen und bei Abpfiff enden. Dort spielen die Familien eine Rolle, unterschiedliche Kulturen, die aufeinandertreffen und auch psychische Probleme, die durch den Sport und seine Aufmerksamkeit verstärkt werden. Eine herausragende Produktion, in der mit John Carew ein norwegischer Fußball-Superstar eine Hauptrolle übernimmt, die sicher auch bald den Weg in hiesige Wohnzimmer finden wird.
Fußball kann so viel – und viele dieser Stärken kommen im Fußballfilm und bei 11mm zum tragen… auch wenn die 16. Edition in Gedenken an Rafael Henzel anders in Erinnerung bleibt.

Denis Demmerle

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