BFF on the Road: Festivalbericht vom DOK Leipzig 2019

62. DOK Leipzig: Vom Gehen und Bleiben


Regisseurin Tamara-Stephanyan betrachtet in ihrem Werk „Village of Women“ die Situation in ihrer Heimat. ©Tamara Stephanyan

Die beiden Werke „Village of Women“ und „Noodle Kid“ treten im Wettbewerb der 62. DOK Leipzig miteinander in Dialog. Sie lenken den Blick auf ein zentrales Problem entlegener ländlicher Regionen. Die Perspektivlosigkeit junger Männer in ihren Heimatdörfern zwingt sie zur Emigration, um ihre Familien zu ernähren.

Tamara Stephanyan zeichnet in ihrem Dokumentarfilm „Village of Women“ das Bild einer weiblichen Schicksalsgemeinschaft eines kleinen armenischen Dorfes, die dazu gezwungen ist, die Geschicke im Ort in die eigenen Hände zu nehmen. In Armenien fehlen die Jobs. Neun von zehn Männern zieht es ins russische Exil, um dort als Straßenbauarbeiter einen Großteil des Jahres zu arbeiten. Lediglich im Winter sind die Familien für wenige Monate vereint.
Intim begleitet Stephanyan mit ihrer Kamera die Protagonistinnen beim Umgang mit den Nutztieren, beim Brotbacken, Kochen und erledigen der Feldarbeit. Parallel dazu fängt sie immer wieder die weite karge Landschaft ein, die das Dorf umgibt.

Insbesondere der warmherzigen und humorvollen Art und Weise, wie die Frauen mit ihrem Schicksal umgehen, widmet der Film seine Aufmerksamkeit, ohne die Trauer zu verbergen, die eindringlich in der ersten und letzten Szene des Filmes zutage tritt. Die Frauengemeinschaft sitzt um einen Tisch, eine von ihnen stimmt ein Lied an. Nach wenigen Zeilen verstummt sie – ihre Stimme versagt, Tränen übermannen sie. Ihr Mann ist seit mehreren Jahren in Russland, wohnt bei ihrem gemeinsamen Sohn und kümmert sich um das Enkelkind. Sie könnte ebenfalls ihre Heimat verlassen und zu ihrem Sohn ziehen, will aber das, was sie sich aufgebaut hat, nicht hinter sich lassen.

„Es ist ein Portrait derjenigen, die bleiben“, sagt die junge Regisseurin Stephanyan, die selbst mit 12 Jahren ihre Heimat in Armenien verlassen hat. „Oft müssen die Männer nicht mehr nach Russland um einen Job zu finden, aber es ist vielerorts zu einer Art Tradition geworden.“ Dass die Frauen auch alleine zurechtkommen, zeigt der Film auf stimmige und stimmungsvolle Weise.
Mit der Vereinigung der zurückkehrenden Väter und Ehemänner zu ihren zurückgelassenen Kindern und Frauen, erreicht der Film seinen emotionalen Höhepunkt.

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