BFF on the Road: Festivalbericht vom DOK Leipzig 2019

62. DOK Leipzig: Vom Gehen und Bleiben


Im Wettbewerb von Dok Leipzig: „Noodle Kid“ von Regisseur Huo Ning. ©Huo Ning

Der vierzehnjährige Ma Xiang lebt mit seinen Großeltern und seinem jüngeren Bruder in Hualong, in der chinesischen Provinz Quinghai. Sie gehören der muslimisch gläubigen Minderheit der Hui-Chinesen an. Ma besucht die Oberstufe der ortsansässigen Schule, in der er die Lehren des Koran erlernt. Seine Mutter hat die Familie verlassen, nachdem sie in Gegenwart ihres älteren Sohnes von dessen Vater verprügelt wurde. Dieser sitzt mittlerweile für einige Jahre im Gefängnis und hat dem Großvater einen hohen Schuldenberg hinterlassen.
Um diese Schulden abzuarbeiten, soll Ma in einer weit entfernten Stadt in einem Restaurant seines Onkels arbeiten und die Kunst des Nudelziehens erlernen. Die Tage sind lang und die Bezahlung schlecht. Sowieso geht der gesamte Lohn an seinen Großvater.

Regisseur Huo Ning gelingt eine faszinierende Einführung in eine für Außenstehende außergewöhnliche und fremdartige Welt. Der Zuschauer begleitet Ma Xiang auf einer Reise, die zugleich eine ins Erwachsenwerden ist. Einzig die zum Ende hin zunehmenden, bruchstückhaften Episoden, die schlagzeilenartig einschneidende Erlebnisse präsentieren, wirken ein wenig deplatziert und stören den ansonsten elegant dahinfließenden Handlungsablauf, der allein durch seinen Protagonisten hervorragend getragen wird.

Huo Ning zeichnet mit „Noodle Kid“ eine konventionelle Coming-Of-Age-Geschichte in einem unkonventionellen Setting. Dabei wird die nicht ganz leichte Situation der Hui-Chinesen ebenso deutlich, wie das bereits in „Village of Women“ vorhandene Problem der Perspektivlosigkeit auf dem Land.
Zwei Portraits über sehr unterschiedliche Regionen und ihre Bewohner, die ein gemeinsames Schicksal teilen; vom Gehen und Bleiben.

Heiko Strähler-Pohl

1 2